Wo nehmen frauen zuerst ab

Arme zu schwabbelig, Beine zu dick, Rollen an Hüften oder Bauch – fast jeder hat irgendeine „Problemzone“. Da ist es nicht verwunderlich, dass man genau an diesen Stellen abnehmen möchte. Aber kann man überhaupt gezielt abnehmen? FITBOOK hat einen Experten gefragt.

Viele Menschen sind unzufrieden mit bestimmen Körperpartien. Diese mit Sport oder einer Diät zu verändern, ist mühsam und dauert. Gezielt abnehmen bzw. gezielter Fettabbau ist für viele daher die Devise. Aber ist das überhaupt möglich? Die Antwort hat Fitnessprofessor Dr. Stephan Geisler.

Warum gezielt abnehmen?

Es gibt unzählige Gründe, warum Menschen abnehmen möchten. Von den gesundheitlichen Risiken wie Diabetes oder Herzkreislauferkrankungen bei Übergewicht einmal abgesehen, sind manche Menschen einfach unzufrieden mit ihren Proportionen und wollen nur an bestimmten Körperteilen Fett verlieren.1,2 Dabei sollte man wissen: Wo sich Körperfett ansetzt, ist abhängig von Geschlecht, Gewicht sowie Lebensgewohnheiten.

Manche lagern Fett proportional an, während andere disproportional viel Fett an Armen, Hüften, Po oder Oberschenkeln haben. Zum Beispiel sammelt sich bei Frauen das Fett im gebärfreudigen Alter vor allem an Bauch und Hüften. Nach der Menopause verlagert sich das Fett stärker in den Bauchbereich. Im Vergleich dazu haben Männer zwar allgemein weniger Körperfett, aber mehr mit Viszeralfett, dem gefährlichen Bauchfett um die Körpermitte zu kämpfen.3

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Geht gezielt abnehmen? Das sagt der Experte

Um es schonmal vorwegzunehmen: Worüber in der Wissenschaft eigentlich Einigkeit herrscht, ist die Tatsache, dass der Körper beim Fettabbau keine Unterschiede macht. Das bedeutet, er nimmt sich seine Reserven beim Abnehmen grundsätzlich gleichmäßig von überall her. Das sieht auch Fitness-Experte Prof. Dr. Stephan Geisler so. „Grundsätzlich ist die Fettverbrennung etwas, das systemisch (= nicht nur lokal, Anm. d. Red.) funktioniert“, sagt er FITBOOK und klärt dabei über gängige Abwehrmythen auf.

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Nimmt man im Gesicht zuerst ab?

„Du bist aber schmal im Gesicht geworden!“ Diesen Satz hören Menschen, die gerade eine Diät machen und schon erste Gewichtsverluste verbuchen können, häufig. Aber ist es nun wirklich so, dass man im Gesicht zuerst abnimmt? „Nun ja, es ist sicherlich kein Geheimnis, dass es bei vielen Menschen im Gesicht zuerst auffällt, dass sie abgenommen haben“, so Geisler. Der einfache Grund: „Man hat im Gesicht in der Regel ganz einfach allgemein weniger Fett als beispielsweise am Bauch oder Gesäß. Angenommen, man würde also prozentual gesehen gleichmäßig überall abnehmen, wäre es im Gesicht daher dennoch zuerst zu sehen.“

Wer im Internet nach Übungen für das gezielte Abnehmen im Gesicht sucht, wird häufig auf vermeintlich hilfreiche Schlankheits-Tricks stoßen. So soll es angeblich zielführend sein, wenn man einen Kussmund formt, die Wangen dabei ansaugt und einige Sekunden hält. Aber kann man damit gezielt im Gesicht abnehmen? Der Experte sieht’s eher kritisch. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass es dazu keine wissenschaftlichen Untersuchungen gibt. Und auch aus meiner physiologischen Sicht würde ich das persönlich eher bezweifeln“, so Geisler.

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Fettabbau durch gezielten Einsatz von Wärme?

Ein weiterer Mythos, der sich im Zusammenhang mit Gewichtsabnahme hartnäckig hält: Die Behauptung, direkte Wärmeeinwirkung auf bestimmten Körperstellen habe Einfluss auf den Fettabbau, indem die Durchblutung lokal gefördert würde – was wiederum die Fettverbrennung ankurbeln soll. Man kann dafür beispielsweise spezielle Wärmegürtel kaufen, die man sich um den Bauch legt. Die Hersteller werben damit, unerwünschte Fettpölsterchen quasi wegzuschmelzen. Schon der normale Menschenverstand müsste bei solch absurden Wunderwaffen eigentlich Zweifel hegen – der Fitnessprofessor legt nach: „Wenn es so einfach wäre, könnte man sich, übertrieben gesagt, schließlich auch einfach eine Woche in die Sauna setzen und hätte danach einen Traumkörper. Das wird aber logischerweise nicht passieren.“

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Muskelaufbau mit Magnetwellen-Impulsen?

Ebenfalls Vorsicht geboten sei bei Produkten, die gezielten Muskelaufbau ohne Training mit Magnetwellen-Impulsen versprechen: „So lange solche Anbieter noch nicht explizit internationale, wissenschaftliche Studien bezüglich der Wirksamkeit vorweisen können, wäre ich hier eher skeptisch.“

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Studie liefert Hinweise, dass gezieltes Abnehmen funktionieren kann

Mit Blick auf eine Studie der Uni Rom möchte Fitnessprofessor Geisler einen lokalen und gezielten Fettabbau dennoch nicht ausschließen. Wissenschaftler hatten untersucht, ob man durch verschiedene Trainingskombinationen unter Umständen doch einen Einfluss auf die „regionale“ Fettverbrennung nehmen kann.

Die Wissenschaftler ließen 16 untrainierte Frauen im Alter von Anfang 30 über einen Zeitraum von drei Monaten dreimal pro Woche trainieren. Es wurden zwei Gruppen gebildet: Die eine trainierte Kraft mit dem Oberkörper und Ausdauer mit dem Unterkörper, Gruppe zwei trainierte anders herum.

Gruppe 1 absolvierte ein sogenanntes „Upper Body Resistance Training“. Diese Frauen absolvierten fünf verschiedene Übungen für den Oberkörper mit je drei Sätzen à zehn Wiederholungen und fuhren danach 30 Minuten bei lockerem Ausdauertempo Fahrradergometer. Die andere Gruppe trainierte nach dem gleichen Prinzip umgekehrt („Lower Body Resistance Training“) mit fünf Übungen für den Unterkörper und 30 Minuten am Armergometer.

Die Probandinnen dokumentierten ihre Ernährung mit einem Tagebuch. Es wurde jedoch explizit keine zusätzliche Diät durchgeführt. Auch das normale, alltägliche Aktivitätslevel sollte gleich bleiben.

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Ergebnisse zeigten deutliche Unterschiede beim Fettverlust

Im Hinblick auf den prozentualen Anteil der Fettmasse zeigten sich im Ergebnis tatsächlich signifikante Unterschiede. So hatten diejenigen, die Kraft mit dem Oberkörper und Ausdauer mit dem Unterkörper trainiert hatten, an den Armen auffallend mehr Fett verloren. Und auch umgekehrt verhielt es sich ähnlich mit dem Körperfettverlust an den Beinen, der bei Gruppe 2 höher ausfiel. Prof. Geisler sieht hier durchaus eine Tendenz, dass verschiedene Trainingsformen sich unterschiedlich auf den Fettabbau an verschiedenen Körperstellen auswirken können.

Kritische Einordnung der Studie 

Dennoch hat Geisler einige Kritikpunkte an der Studie: „Es gibt hier nur eine sehr kleine N-Zahl (= Anzahl der gesamten Studienteilnehmer, Anm. d. Red.) mit zweimal acht, also insgesamt sechzehn Probandinnen, das ist längst nicht aussagekräftig.“ Auch, dass die Überwachung der Ernährung nur über ein Tagebuch abgedeckt wurde, kritisiert er. So sei die Ernährung beim Abnehmen ebenfalls ein wichtiger Faktor. Auch könnte die Verteilung der Muskelmasse einen großen Einfluss haben, der in der Studie allerdings nicht weiter berücksichtigt wurde. „Auf dem Fahrradergometer kann man insgesamt wesentlich mehr körperliche Arbeit leisten als am Armergometer. Das liegt daran, dass wir in den Beinen deutlich mehr Muskelmasse haben. Deshalb wird das sowohl beim Kraft- als auch Ausdauertraining grundsätzlich einen Unterschied machen, was den Gesamtumsatz der Kalorien betrifft“, beschreibt er die mögliche Ursache für Abweichungen beim lokalen Fettabbau.

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Fazit des Fitnessprofessors

Im Ergebnis hält Prof. Geisler fest: „Die Studie ist vielleicht nicht perfekt, gibt aus meiner Sicht aber zumindest eine Tendenz.“ Grundsätzlich halte er an seiner Aussage fest, dass wahrscheinlich eher keine lokale Fettreduktion durch gezieltes Training möglich sei. Jedoch sollte man dieser Thematik aufgrund der Ergebnisse der Studie durchaus in der Zukunft genauer nachgehen. Er selbst plant mit seinem Team weitere Forschung in diesem Bereich.

So geht Fettabbau richtig

Generell empfiehlt Geisler grundsätzlich allen, die besonders effektiv für die Fettverbrennung trainieren möchten, eine Kombination aus Kraft- und Ausdauertraining. So wird beim Ausdauertraining besonders viel Energie verbrannt und das Herz-Kreislauf-System gestärkt. Ergänzend dazu kann man mit Kraftübungen Muskelmasse aufbauen und dadurch die Fettverbrennung nochmals ankurbeln. Denn mit regelmäßigem Krafttraining steigert man den täglichen Energie-Grundumsatz: Dann verbrennt man auch in der Zeit, in der man keinen Sport treibt, automatisch mehr Fett.

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Zur Person: Prof. Dr. Stephan Geisler ist Professor für Fitness und Gesundheit an der IST-Hochschule in Düsseldorf und Dozent für Olympisches Gewichtheben an der Deutschen Sporthochschule Köln. Dort promovierte er auch im Bereich der molekularen Sportmedizin. Sein Schwerpunkt in Forschung und Lehre liegt im Krafttraining. Er bildet seit über 15 Jahren Studenten und Fitnesstrainer aus und ist Autor verschiedener internationaler Fachpublikationen. Auf seinem YouTube-Kanal Fitnessprofessor und bei Facebook gibt er Tipps und Tricks für Sportler und Trainer. Mehr vom Fitnessprof finden Sie hier!

Quellen:
1) Mandviwala, T. et al. (2016). Obesity and Cardiovascular Disease: a Risk Factor or a Risk Marker?
2) Al-Goblan, S. A. et al. (2014). Mechanism linking diabetes mellitus and obesity.
3) Blaak, E. (2001). Gender differences in fat metabolism.