Was möchte jeder werden, aber keiner sein

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Was möchte jeder werden, aber keiner sein


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einander kannten

zwar nicht persönlich, aber aus ihren Werken -, sondern auch auf einander zu sprechen kommen, einander darstellen, beurteilen und bewerten.

Schiller erwähnt Kant oft und eindringlich; Kant Schiller ein einziges Mal, aber an um jo bedeutsamerer Stelle.

Daß ein großer Denker zu einem anderen großen Denker ausdrüdlich Stellung nimmt, ist nichts Seltenes (Leibniz zu locke; Schopenhauer zu Hegel; Plato zu Heraklit und zu Aristoteles); daß fich zwei Denfer aber wechselseitig beleuchten, ist ein seltener GI üdsfall in der Geschichte der Philosophie.

3. Diesen Glücksfall wollen wir uns heute zu nuße machen und auf die gegenseitige Beleuchtung, die sich Kant und Schiller zu teil werden lassen (wie es die Ießten drei Worte des Themas zur Pflicht machen), allein unser Augenmerk richten.

I. In welchem lichte hat Schiller tant,

II. In welchem lichte hat Kant Schiller erblickt? To haben wir zu fragen.

Dabei hat der erste Teil der Frage deshalb den Vortritt, weil Kants Äußerungen über Schiller nur Reaktionen auf Schillers Angriffe gegen Kant gewesen, also ohne diese nicht zu verstehen sind.

Hierbei möchte ich die Darstellung des Verhälts nisles möglichst an der Hand der wichtigsten Dokumente geben (teils wegen der größeren Unmittelbarkeit, die dadurch erzielt wird, teils wegen der u n übertrefflichen Diftion, mit der Schiller und für unser Problem auch Kant ihre Stellungen zum Ausdruck gebracht haben).


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Sittlichkeit und Sinnlichkeit rigoristisch nennen den Kantischen Rigorismus zu vertreten.

In „Über Unmut und Würde“ (Bd. XI,S.216) heißt es:

„Daß die Moral selbst endlich aufgehört hat, diese Sprache“ (nämlich die des Eudämonismus) „zu reden, hat man dem unsterblichen Verfasser der Kritik zu verdanken, dem der Ruhm gebührt, die gesunde Vernunft aus der philosophierenden wieder hergestellt zu haben.“

„Bis hierher glaube ich mit den Rigoristen der Moral vollkommen einstimmig zu sein“ (Bd. XI, S. 217).

In dem Briefe an den Herzog von Augustenburg vom 3. Dez. 1793 heißt es:

„Ich bekenne gleich vorläufig, daß ich im Hauptpunkt der Sittenlehre vollkommen Santisch denke. Ich glaube nämlich und bin überzeugt, daß nur dies jcnigen unsrer Handlungen sittlich heißen, zu denen uns bloß die Achtung für das Gefeß der Vernunft und nicht Antriebe bestimmten, wie verfeinert diese auch seien, und welche imposante Namen sie auch führen. Ich nehme mit dem rigid est en Moralisten an, daß die Tugend schlechterdings auf sich selbst ruhen müsse, und auf keinen von ihr verschiedenen Zweck zu beziehen sei. Gut ist (nady K antif den Grundsäßen, die ich in diesem Stück vollkommen unters dyre i be) gut ist, was nur darum geschieht, weil es gut ist.“ (Briefe, Bd. III, S. 399.)

Und in „Über Anmut und Würde“ lesen wir, mit Bezug auf die Selbständigkeit der Sittlichkeit und deren Auffassung als Beschaffenheit unseres Willens (Bd. XI, S. 218):

„Über die Sache selbst kann, nach den von ihm (Kant) geführten Beweisen, unter denkenden Köpfen ... fein Streit mehr sein, und ich wüßte kaum, wie man nicht lieber sein


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(Ebenda S. 229):

„Beherrschung der Triebe durch die moralische Kraft ist Geistesfreiheit“, (Erhabenheit) ,und Würde heißt ihr Auss druck in der Erscheinung.“

Zub): Das ,,Siegel der vollendeten Menschheit“ (ebenda S. 221) besteht darin: daß „beide Gefeßgebungen ... volltommen unabhängig von einander bestehen und dennoch vollkommen einig“ sind (ästh. Briefe, Bd. XII, S. 98; vgl. auch S. 57).

Aber (Über Anmut und Würde, Bd. XI, S. 223/4):

„Es ist dem Menschen zwar aufgegeben, eine innige Übereinstimmung zwischen seinen beiden Naturen zu stiften, immer ein harmonisierendes Ganze zu sein und mit seiner vollstimmigen ganzen Mensdyheit zu handeln. Aber diese Charakterschönheit, die reifste Frucht seiner Humanität, ist bloß eine Idee, welcher gemäß zu werden er mit anhaltender Wachsamkeit streben, aber die er bei aller Anstrengung nie ganz erreichen kann.“ (!)

Zu c): Schwieriger zu verstehen ist der dritte Punkt, auf dem Schiller die Nachteile dieser Harmonie in der Wirklichkeit zu zeichnen und das unerreichbare ideal erster Ordnung durch ein erreichbares Ideal z weiter Ordnung zu erseßen unternimmt.

Bei diesen in ziemlich verwickelte psychologica hineinführenden Untersuchungen halte man sich gegenwärtig: daß die Harmonie als Ideal: Einmal die Intaktheit ihrer Teile (auch des fittlichen Willens), sodann einen Dauerz ust a nd der Übereinstimmung von Pflicht und Neigung erfordert.

Zeit weilige Übereinstimmungen, welche die Kraft des fittlichen Willens unterbinden, oder der Dauer: harmonie schaden könnten, werden also ebenso verwerflid),


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Beistimmung von seiten der Neigung.“ (Auf den Nußen der legalität des Betragens, die durch besagte Harmonie besser verbürgt wird, als durch die reine Moralität, gehe ich hier nicht mit Schiller ein; vgl. Bd. XII, S. 158/59; ebensowenig auf die Würdigung der „liebe" in diesem Sinne, Bd. XI, S. 239/40.)

So überrascht uns die Formulierung des Idea I s 3 weiter Ordnung oder

der

erreichbaren M e nichheitsvollendung nicht mehr:

„Sind Anmut und Würde in derselben Person vereinigt, so ist der Ausdruck der Menschheit in ihr vollendet, und sie steht da, gerechtfertigt in der Geisterwelt und freigesprochen in der Erscheinung.“ (über Anmut und Würde, Bd. XI, S. 236.)

„Nur wenn das Erhabene mit dem Schönen sich gattet, und unsere Empfänglichkeit für beides im gleichen Maße ausgebildet worden ist, sind wir vollendete Bürger der Natur, ohne deswegen ihre Sklaven zu sein und ohne unser Bürgerrecht in der intelligiblen Welt zu verscherzen.“ (Über das Erhabene, Bd. XII, S. 281.)

Auf allen diesen Punkten fühlte sich Schiller 1. i m Gegensaß zu seinem großen Meister, glaubte aber 2. deisen lehren wenn a uch nicht dem Buchst aben, so doch dem Geiste nach forts gebildet und ausgebaut zu haben.

Zu 1: „In der Kantischen Moralphilosophie ist die Idee der Pfli dyt mit einer Härte vorgetragen, die alle Grazien davon zurückschreckt und einen schwachen Verstand leicht versuchen könnte, auf dem Wege einer finstern und mönchischen Asketik die moralische Vollkommenheit zu suchen.“ (Über Anmut und Würde, Bd. XI, S. 218.)

„Womit aber hatten es die Kinder des Hauses ver


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jemandem etwas gebieten, was er schon von selbst wollte, hält auch Kant an anderer Stelle für absurd.

2. Die Sinnlichkeit als Ausfluß des Radikal: Bösen bringt es mit sich, daß Kants Idealder Heiligkeit nicht Schillers Ideal der schönen Seele sein fann. Der heilige Wille bei Kant ist nicht der Wille im Zustand der Konformität des oberen mit dem unteren Bes gehrungsvermögen, sondern der Wille eines Wesens ohne Neigungen (z. B. Gott), dessen Wille stets dem Sittengeseß fonform ift. Diesem Urbilde fich ins Unendliche zu nähern, ist Aufgabe endlicher Wesen (ebenda S. 39).

Zu c): 1. Die Freude als Wirkung sittlichen Tuns :

„Daß übrigens .... auch die öftere Ausübung, diesem Bestimmungsgrunde gemäß, subjektiv zuleßt ein Gefühl der Zufriedenheit mit sich selbst wirken könne, stelle ich gar nidyt in Abrede; vielmehr gehört es selbst zur Pflicht, dieses ... zu gründen und zu kultivieren." (Str. d. pr. Vern., S. 47.)

2. Der ästhetische Genuß über das Sittliche, nicht a m Sittlichen:

„Das moralische Gute, ästhetisdy beurteilt, müsse nicht sowohl schön als erhaben vorgestellt werden, so daß es mehr das Gefühl der Achtung ... als der Liebe und vertraulichen Zuneigung erwecke; weil die menschliche Natur nicht so von selbst, sondern durch Gewalt, welche die Vernunft der Sinnlichkeit antut, zu jenem Guten zusammenstimmt.“ (Kr. d. Urt. Hartenstein, Bd. V, S. 279/80.)

Hierbei wird geradezu die ästhetische Wirkung des Sitt: lichen in der Rontemplation mit der Unterjochung der Neigungen durch die Pflicht beim aktiven Handeln zusammen genannt. Das Nämlide gilt von der einzigen Stelle, an welcher Kant der Pflicht auch Schönheit vindiziert. (Ebenda S. 275.)


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(Vgl. „Poje Blätter“, aus Sants Nachlaß mitgeteilt von Reide, Bd. I, S. 126): „Personen, die am einigsten miteinander im Sinne sein, geraten oft in Zwiespalt das durch, daß sie in Worten einander nicht verständlich sein.“

Zu b): „Ich gestehe gern, daß ich dem Pflichts begriffe, gerade um seiner Würde willen, keine a nin ut beigesellen kann. Denn er enthält unbedingte Nötigung, womit Anmut in geradem Widerspruch steht.“ „Diese Begleiterinnen“ (Grazien) „der Venus Urania sind Bublidwestern im Gefolge der Venus Dione, sobald sie sich ins Geschäft der Pflichtbestimmung einmischen und die Triebfedern dazu hergeben wollen.“ (Rel. inn. d. Gr. d. bl. Vern. a. a. D.)

Zu c): „Wird aber auf die anmutigen Folgen gesehen, welche die Tugend, wenn sie überall Eingang fände, in der Welt verbreiten würde, so zieht alsdann (!) die moralischgerichtete Vernunft die Sinnlichkeit ... mit ins Spiel. Nur n a dh bezwungenen Ungeheuern wird Herkules M ufaget, vor welcher Arbeit jene guten Schwestern zurücbeben.“

Aber die Tugend.... ist in ihren Folgen auch wohltätig, mehr wie alles, was Natur oder Kunst in der Welt leisten mag; und das herrliche Bild der Menschheit, in dieser ihrer Gestalt aufgestellt, verstattet gar wohl die Bes gleitung der Gra zien, die aber, wenn noch von Pflicht allein die Rede ist, sich in ehrerbietiger Entfernung halten.“ (Rel. i. d. Gr. d. bl. V., S. 117/18.)

Zu d): „Fragt man nun, welcherlei ist die ästhetische Beschaffenheit (?), gleichsam das Temperament (?) der Tugend, mutig, mithin fröhlich, oder ängstlich ges beugt und niedergeschlagen? so ist kaum eine Antwort nötig. Die leştere fflavische Gemütsstimmung kann nie ohne einen verborgenen Haß des Gesetzes stattfinden, und das


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Ebenso müssen die ä ft hetisch en kategorien in ihrer Beziehung zu den ethischen nocy differenzierter angewandt werden; obwohl durch ihre Mitbearbeitung Schiller wieder neue Fragen angeregt hat.

So ist die Harmonie von Tugend und Neigung zwar „schön“: wenn wir Schillers Zeichnung der schönen Seele zum Muster nehmen; aber geradezu häßlich: bei dem stumpfsinnigen blöden Charakter, der durch Sch w'ä с e und Armut des Willens zur gleichen Harmonie gelangt.

Summa summarum:

Sowohl bei Kant wie bei Schiller sind die Grundbegriffe, d. h. die Bestimmungen über: Natur und Freiheit, Tugend und Neigung, Form und Stoff, 3 w ar einerseits schwebend und verschwommen, andererseits direkt irrig und fehlerhaft; aber: die Beziehungen zwischen diesen Gegenständen sind mit dem Auge des Genies erblickt.

Jene rücksichtslos zu bekämpfen, von diesen immer wieder zu lernen und sich anregen zu lassen: dazu follen uns diese beiden Männer verhelfen.

Die Lehren der Genies nämlich antiquieren nicht.

Zu ihrer Zeit sind sie nach Form und Inhalt, im Buchstaben und Geist: die Höhenleistungen der Epoche.

Dann muß bei fortschreitender Erkenntnis : Form und Buchstabe fallen gelassen, Inhalt und Geist zurücbehalten werden.

Bis schließlich : auch von Inhalt und Geist gar manches nicht mehr anerkannt werden kann.

Dann ist der Tag gekommen, an dem das Genie von einer neuen Generation auch neu erobert werden muß; das Bleibende vom Vergänglichen, das Rechte vom Falschen zu scheiden ist.


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Der Pantheismus und Naturalismus unserer Tage, deffen Wellen die moderne Kultur überall durchfluten, hat eine lange Vorgeschichte.

Die griechischen Philosophen vor Sokrates haben sidy großenteils zu ihm bekannt. Thales, der Begründer der Philosophie im engeren Sinne, tat den Ausspruch voll kindlichen Tiefsinns: návra" ihnen 9ebv, Alles ist voll von Göttern. Die Verbindung des ersten und dritten Wortes ergibt das Schlagwort: Pantheismus. Die ehrwürdigen Xenophanes und Parmenides lehrten, daß alle Vielheit, Veränderung, Bewegung, daß die ganze bunte Mannigfaltigkeit der Erscheinungswelt nur Trug und Täuschung, daß in Wahrheit dies Alles (nãv) nur Eines (év) sei, und dieses Ein und Alles (fv xal nāv), und dieses Alleine nannten fie -- Gott. Dann wurde durdy Plato und Aristoteles und später durch das Christentum diese Auffassung immer mehr verdrängt; Gott geht nicht mehr im Al auf, sondern er wird eine selbständige jenseitige Größe neben und über allen weltlichen Dingen. An leitende Stellen wagt sich der Pantheismus im Mittelalter nicht mehr; er führt ein Leben im Verborgenen, bei christlichen Mystikern und Theosophen. Erst in der Renaissance regt er wieder mächtig die Schwingen, und Giordano Bruno ist sein heldenhafter Verkünder. Aber während sich die Alten das au begrenzt gedacht und die Gottheit als abgeschlossene Kugel versinnbildlicht hatten, ist Bruno der Apostel des Unendlichkeitsgedankens. Was dieses Gemisch von Feuerseele und Pedanten teils in überschwenglich-hymnischen Predigten, teils mit dem starren Apparat scholastischer Spißfindigkeiten der Welt vermittelte, das hat für die neuere Philosophie Benedikt Spinoza zu einem architektonischen System unerbittlicher Gedanken umgegossen. Seine monumentale Grundformel: Substantia sive Deus sive Natura, die Substanz, das heißt Gott, das heißt die Natur, seßt Gott der Natur als dem Inbegriff der dies: seitigen Welt gleich, entkleidet ihn der Persönlichkeit und lehrt die Identität von Pantheismus und Naturalismus. An Spinoza knüpfen im 18. Jahrhundert Lessing, Herder und Goethe an, und im 19. Jahrhundert treffen sich drei, einander fast auf allen übrigen Punkten bekämpfende Geister, nämlich Hegel, Schopenhauer und Nießsche, in dem Bes kenntnis: außer dieser Welt, in der wir leben, gähnt das Nichts; sie enthält Alles, was da ist, war und wird; gibt es einen Gott, so kann er weder über, noch außer, noch unter, sondern nur in der diesseitigen Welt enthalten sein. Hegel glaubte an einen solchen Gott, der sich im Laufe der Ents wickelung offenbart, an einen werdenden Gott. Schopen


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lebnis: daß nichts, was fällt, verschwindet, sondern nur seinen Ort wechselt, ist die Zeit noch nicht angebrochen. Man fühlt zwar, daß der himmlische Gott irgendwie von der irdischen Welt versdílungen sein müsse; aber Gott ist dabei nur verweltlicht, die Welt noch nicht vergöttlicht worden.

Wer nun nicht, wie der typische Dekadent, auf diesem Standpunkt ödester Negation und verschwommener Hoffnungen verharrt, mit dem treten wir in ein zweites Stadium pantheistischer Denk- und Gefühlsweise ein, in ein zweites Stadium, das nun ebenso überschwenglich bejaht, wie das vorige verneinte. Das Pendel der modernen Seele liebt die weitausladenden Schwingungen, ehe es die Ruhe der mittleren Zone und der eigenen Gleichgewichtslage erreicht. War das bisherige, leidvolle Ergebnis gewesen: daß Gott nur die Welt oder nur in der Welt sei (diese spekulativ ungeheuer wichtigen Unterschiede interessieren uns hier nicht), so erwädyst jeßt das jauchzende Bekenntnis: daß die Welt etwas Göttliches sei oder doch enthalte. Und in begreiflicher Übertreibung legt der Mensch, der eben noch seinen Gott verloren hatte, nun aber als Weltenglied plößlich audy zu etwas Göttlichem fick erhoben fühlt, den Teil für das Ganze, das Organ für den Organismus, und empfindet sein kleines, eigenes, beschränktes Idy als über-Idy, als Übermensd), als Welt, als -- Gott"). Die Epoche des dionysischen Rausches ist angebrochen. In diesem schwelgerischen Einswerden, ja dieser Gleichseßung mit dem Urprinzip wird der verlorene Halt wiedergefunden. Die Selbstliebe ist zugleich Weltund Gottesliebe, da wir uns selbst zu Welt und Gott erweitert haben. Aber die Moral, insoweit sie unser bes sonnenes Wollen und Handeln den übrigen Geschöpfen gegenüber zum Ausdrud bringt, findet in diesen Zeiten kein rechtes Unterkommen. Denn wenn alle Einzelnen auf so einsamen Höhen dem Blide entschwunden sind und der Ers lebende sich Auge in Auge nur am kosmischen Ganzen mißt, To ist auch jeder zielbewußten Betätigungsweise den Mitmenschen gegenüber, sittlicher wie unsittlicher, der Boden entzogen. Doch solche Augenblicke seliger Verschmelzungen und trunkener Selbstherrlichkeiten sind nur von kurzer Dauer. Öffnen wir nicht aus eigener Besinnung die verschlossenen Augen, fo zwingt uns der Widerstand der Umwelt dazu, an dem sich der für gottgleich gehaltene Eigenwille nur allzubald brechen muß.


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fernt, ihr überströmendes Weltenglüdsgefühl dadurch ents heiligt zu sehen, heiligt dieses Gefühl den modernen Bacchanten- und Mänadenseelen vielmehr den Wahnsinn.

Und wenn die Seele noch so schreit: sie führt zum Wahnsinn, diese Seligteit: dann, du, dann er stammelt plößlich, lauscht das Weib in Sonnetrunkenheit jauchzt berauscht:

Dann ist der Wahnsinn eben Seligkeit – Doch jäh unterbricht die Nachricht vom Tode der ersten Frau, die am Grame der Verlassenheit dahinschwand, diesen pantheistischen Taumel und treibt zu erneuter Vertiefung.

Aber es geht aufwärts, nicht zurück. Der Umkreis der „Klarheit“ beginnt, der Klarheit eines schönen Herbstes. Das Bekenntnis Wir Welt wird nicht fallen gelassen, aber es wandelt seine Bedeutung. Wir sind nicht mehr die Welt, sind nur ein Teil der Welt, aber durchwogt vom allgemeinen Weltengeist, vom Weltenwillen, der wir nicht sind, aber in tem wir sind und der in uns ist:

Mich sticht nicht mehr der Götterhaber. Und die Liebe dieser Menschen wird immer universeller, denn fie erkennt in jeder Torheit die Möglichkeit zur Weisheit und in jeder Wirklichkeit den Stoff zu den höchsten Zweden ?). Aber es ist nicht die mitleidige, menschenfreundliche, es ist die mitfreudige, menschenfreudige Liebe.


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Lukas – wir müssen nun wohl streben

dem fommenden Geschlecht zu leben, ein Stüc Land zur Kolonisierung für freie Männer ers worben, als Sinnbild sozialer Betätigung, die einsamen Inseln der Seligkeit auf immer verlassen:

Willst du den tommenden Geschlechtern lehren,

Man brauche Inseln, um selig zu sein? Da steht dem Manne wegen früherer anarchistischer Ums triebe die Festnahme bevor. Rechtzeitig gewarnt, geht er freiwillig in die Verbannung; für sich, die Familie, die Welt zu schaffen, und die Seinen nach der bevorstehenden Geburt ihres ersten gemeinsamen Kindes zu sich herüber zu holen. Und dieses Kind, käme auch es blind zur Welt, wird nicht getötet werden:

Und jeßt auf einmal fühl ich's mit Beben: deines Schoßes Frucht ist der Allmacht von Nöten! Und käme auch dieses Kind blind ins Leben und du hast nicht wieder die Kraft, es zu töten, dann will ich glauben, du hast die höhere Kraft,

die Licht aus tiefstem Dunkel schafft! Nicht tropig, nicht feig, sondern mutig ergeben geht er hinweg:

Nun heißt es, stolz an neue Arbeit gehn, Damit wir vor dem Gott in uns bestehn! Aus seinen Augen weicht aller Spott.

Zwei Menschen beugen sich vor Gott. Und er hat auch die Kraft, dem zurückbleibenden Weib durch den Glauben an fidy, an die Gottwelt, an ihr gemeinsames Bekenntnis, der Hingabe an das Weltglück, Trost, Zuversicht und Selbstvertrauen zu hinterlassen.

Wir verstehen die tiefsinnigen Worte des „Ausgangs“:

Leb wohl, leb wohl du hältst dich selbst in Händen. Du sahst, o Mensch, zwei Wesen deinesgleichen im fleinsten Kreis Unendliches erreichen. Du sahst Dein Glück ins Weltglück enden.


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geistigen Augen die Richtung auf Ideen und Ideale nicht verlieren, dazu wollen wir die Wege des Wissens und die Zwecke des Wollens der heutigen männlichen und weiblichen akademischen Jugend uns kurz vergegenwärtigen.

Was der Student heute von der Universität verlangt oder doch verlangen sollte, ist die Übermittlung eines strengen, objektiven, systematischen, methodischen Wissens. Zunädyst auf dem Gebiete, dem er sich widmen will. Also ein wissenschaftliches Wissen, das auf der Höhe der Zeit steht; und darüber hinaus: die Anleitung zum selbständigen Forfchen, zum eigenen Erwerb neuer Einsichten. Troß der unleugbaren Reformbedürftigkeit unserer Universitäten, wie sie Männer wie Dstwald und Lamprecht so energisch betonen, ist die Universität wohl immer noch die geeignetste Stätte, diesen Anforderungen zu genügen.

Das Wissen des akademisch Gebildeten unterscheidet sich von dem des Alltagsmenschen zunächst durch seine GründI ichkeit und Vertiefung. Er soll nicht oberflächliche Kenntnisse wahllos zusammenraffen, nicht ängstlich auf die praktische Verwertbarkeit im Leben schielen, nicht in Paukereien für die abschließenden Eramina aufgehen; sondern er foll sich dem Wiffen um des Wissens willen hingeben.

Aber die Gründlichkeit der studentischen Ausbildung hat eine gefährliche Kehrseite. Diese besteht in der ungeheuren Differenzierung und Spezialisierung der Einzelwissenschaften. Kein Gelehrter ist heute mehr im stande, wie er es früher war, mehrere wissenschaftliche Disziplinen mit vollkommener Gründlichkeit zu beherrschen. Die Unsumme neuer Tatsachen, Entdeckungen, Gesichtspunkte, die auf dem kleinsten Felde (etwa der Eiweißphysiologie) emporschießen, machen dies zur Unmöglichkeit. Die Botanik hat sich in ungeahnter Weise von der Zoologie gesondert, die Altphilologie von der alten


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Doch diese intellektuelle décadence-Welle zog vorüber. Sie war gottlob nur ein Wellental, das zu einem neuen und vielleicht höheren Wellenberge hinaufführte. Sie, meine Herren und Damen, sind nicht zum geringsten Teile die Tropfen dieses Wellenberges. Was wir mühsam und nicht ohne schwere Verluste erobern mußten, bringt die neue Generation schon in die Hörsäle der Universität mit. Freilich, zum alten Dogmatismus und Rationalismus eines Hegel kehrt die Gegenwart und Zukunft nicht zurüd. Denn wir wissen, daß es Grade der Erkenntnis gibt. Ein apodittisches Wissen oder ein Wissen erster Ordnung ist auf die formale reine Logik und Mathematit beschränkt. Alle Gefeße der empirischen Wirklichkeit oder der Erscheinungswelt werden nur mit einem Wissen zweiter Ordnung, dem Wahrscheinlichkeitswissen, ergriffen, das nicht gleichbedeutend mit Privatmeinungen ist. Und darüber hinaus verschafft uns die denkende Ausdeutung der Erfahrung in ihrer Gesamtheit ein Wissen dritter Ordnung oder ein metaphysisches Vers mutungswissen über die grundfäßlich unerfahrbare Wirklichfeit; über deren leßte Elemente, leßte Gefeße und leßte Eins heit, zu der sich diese Elemente nach diesen Gefeßen zusammenschließen.

Um den Inhalt dieser Einsichten ringt die heutige akademische Jugend. Ihr Weltbild ist nicht mehr das alte, ist auch nicht abgeschlossen. Aber sehe ich in diesen schwierigen Fragen recht, fo zielt es auf neue und fruchtbare Ideen ab.

Was die leßten Elemente der gesamten Wirklichkeit betrifft, so sind sie nicht tot, leblos, räumlich-stofflich zu denken, wie der Materialismus behauptete, der lange Zeit das Szepter in der Philosophie führte. Er gipfelte in dem


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Saße: Wie die Nieren Urin, und die Leber Galle absondert, so schwißt das Gehirn Gedanken aus. Auch der MaterioSpiritualismus, der zwei Reiche anerkennt, das Reich der körperlichen „Dinge an fich“ und das Reich der geistigen „Dinge an sich“, die in der organischen Natur in Wechselwirkung stehen, ist nicht mehr die siegreiche Metaphysik, die er einstmals war. Sondern die Jugend unserer Zeit neigt immer mehr der wahrscheinlicheren Hypothese zu, dem mo nistischen Spiritualis mus, für den sich das gesamte Dasein leßten Endes auflöst in geistige, seelische Wesenheiten verschiedenen Grades; von dem anorganischen Gestein und den Gestirnen durch das Pflanzen- und Tierreich bis zum Menschen hinauf. Und die psychischen Wesenheiten sind nichts Substanzielles, keine Seelenatome, sondern etwas Aktuelles, Vorgänge, Funktionen. Im Urgrund ihres Wesens sind sie nicht intellektuell, sondern willensmäßig zu deuten. Der Wille hat das Primat über die Vernunft. Den Sturz des Intellektualismus zugunsten des Voluntarismus verdanken wir in erster Linie Arthur Schopenhauer. - Aber für die leßten Gefeße, die jene Elemente beherrschen, können wir diesem Führer nicht folgen. Und doch ergibt sich deren Beschaffenheit gerade aus der voluntaristischen Grundauffassung. Ein jedes Wollen strebt einem Ziele zu: auf den niederen Stufen in Form instinktiver Zielstrebigkeit, auf den höheren in Form bewußter Zwedseßung. Und so erringt eine geklärte Auffassung von der Finalität und teleologischen Gefeßlichkeit alles Daseins im Kampfe der Weltanschauungen unserer Tage zunehmend den Sieg. Die mechanische Rausalität bleibt zwar Aleinherrscherin in dem ausgedehntesten Reiche der erfahrbaren Wirklichkeit, d. h. in der körperlichräumlichen Erscheinungswelt; und die metaphysikfreie Naturwissenschaft sucht bis in die biologischen Probleme hinauf Alles aus medyanischen Ursachen zu erklären. Aber die philosophische Ausdeutung faßt auch diese empirisch-mechanische Kausalität als Ausfluß und Abglanz einer metempirischen Teleologie. — Fragen wir nun nach den Erfolgen, zu denen diese Zielstrebigkeit der Elemente führt, so ist Ein: heit in der Mannigfaltigkeit deren gemeinsames Merkmal. Die Einheiten des Daseins aber bilden eine Rangordnung von Lebensformen der Art, daß die früheren und niederen Formen relativ undifferenzierte, unselbständige, die späteren und höheren immer selbständigere und differenziertere Glieder zur Einheit binden. Es ist bes deutsam, daß die plastischen Äußerungen der Lebensfülle fidy mit den Normen, den Idealen des logischen, des ästhetischen, ethischen und religiösen Bewußtseins vergleichen lassen. Wahrheit, Güte und Schönheit sind die vielleicht höchsten Potenzierungen des metaphysischen Urphänomens: der Einheit in der Mannigfaltigkeit. Aber eingedenk bleiben müssen wir auch der Hemmungen, denen die Erreichung dieser Erfolge ausgeseßt ist. Das führende Weltprinzip bleibt nicht stets das fiegreiche. Zersplitterung von Einheiten, Krankheiten und Mißgeburten, alles, was man dysteleologische Erscheinungen nennt, beweisen es. Und diese Hemmungen finden wieder ihre Analogien im Irrtum, der Bosheit, der Häßlichkeit. - Die legte Einheit, zu der sich die leßten Eles mente der Wirklichkeit nach den letzten Geseßen zusammenschließen, wollen wir Gott nennen. Auch die Gottesvor: stellung unserer Zeit und gerade der Jugend unserer Zeit ist in ernster Wandlung begriffen. Dem Atheismus und dem dogmatischen Theismus, beiden gegensäglichen Richtungen, steht troß der Unzahl ihrer Bekenner die Wissenschaft zunehmend fremder gegenüber. Die Grundbestandteile und die Grundprinzipien des Als isoliert und unverankert im Dasein schweben zu lassen, wie es der Atheismus tut, widerspricht der denkenden Ausdeutung der Erfahrung. Und die Annahme eines absolut jenseitigen, außerweltlichen Gottes, der die Welt aus „Nichts“ geschaffen, und in sein Werf nach Gutdünken einzugreifen und dessen Eigengeseßlichkeit durch Wunder zu sprengen im ftande ist, steht mit dem modernen Bewußtsein von der Geseßmäßigkeit alles Geschehens nicht im Einklang. Wohl wissend, daß es sich hier vor den Grenztoren menschlicher Erkenntnis befindet, aber doch gewillt Farbe zu bekennen, drängt das Bewußtsein unserer Welt dazu: Gott als die oberste Einheit der gesamten Mannigfaltigkeit zu fassen; als den Riesenorganismus, der sich zu feinen Gliedern verhält und zu dem sich diese Glieder vers halten wie die Seele und ihre Funktionen oder wie der Leib und seine Zellen zueinander. Gewiß ist das nur ein Gleichnis. Aber wenn irgendwo, so gelten hier Goethes Worte:


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nach außen und durch Recht und Sitte auch nach innen schüßt. Und als höchste Blüte, weil als universellste Einheit, erwächst die geistige Gemeinschaft, die organische Form von Kunst, Wissenschaft und Religion, deren Summe wir als Kultur im engeren Sinne bezeichnen.

Aus dieser Rangordnung der Verbindungen ergeben sich die Pflichten gerade auch des akademischen Bürgers, der als Glied in allen diesen Verbänden steht. Und ihre ganze Wucht und Schwere erhellt aus den Konflikten, in die höhere und niedere Verbände miteinander geraten können. Wie wir die Pflicht und das Recht haben, die anorganische Natur durch Entdeđungen, Erfindungen und die Technik in unseren Dienst zu zwingen, weil diese Vergewaltigung der Natur für die Kultur von Nußen ist, aber vor allen unnüßen Verstümmelungen Halt machen müssen; wie wir Giftpflanzen ausrotten, Bazillen vernichten, ja höhere Tiere vivisektorisch zergliedern müssen, während es nicht nur polizeiwidrig, sondern sittlich-religiöse Roheit ist, blühende Bäume sinnlos zu knicken oder lebende Tiere aus reiner Grausamkeit zu quälen: so müssen auch die niederen Verbände der Menschheit, wo es not tut, an die höheren ihre Dpfer bringen. Denn ohne Dpfer schlägt man keine Schlachten, auch keine fittlich-religiösen. So werden wir die sozialen Pflichten oft mit Opfern von Familienpflichten, die politischen mit Opfern von sozialen, die Kulturpflichten mit Dpfern von staatlichen erfüllen müssen. Schopenhauer schrieb eines seiner größten Werke 1813, anstatt sich den Freiheitskämpfern anzuschließen, nach seinem eigenen Bekenntnis überzeugt davon, daß er berufen sei, der Menschheit nicht mit dem Schwert, sondern mit der Feder zu dienen.

Jedes Individuum aber und jeder Verband bildet sich nad den i h m gesteckten Idealen aus, soweit er nicht damit die Ausbildung höherer Einheiten zersprengt. Denn das Ganze bedarf der Einzelnen; und heute einer immer kräftigeren Durchbildung der Einzelnen. Nicht nur die Integrie: rung, auch die Differenzierung und damit die Verselbständigung des Individuums und individueller Sondergruppen nimmt in der Entwidlung zu. Das moderne Ideal der Persönlichkeitsentfaltung ist deshalb innerhalb seiner Grenzen berechtigt. Bis zu den niedrigsten Ständen und zu den äußerlich bedürftigsten Individuen hinab soll jeder Einzelne seine Eigenart entfalten, und die Anderen sollen ihm dazu behilflich sein. Denn der höhere Verband, dessen Glied er ist, verträgt nicht nur, sondern bedarf mit steigender Kultur dieser Entfaltung. Männer von dem Typus der Meunierschen Arbeiter waren früher eine Unmöglichkeit; jeßt sind sie eine schöne Notwendigkeit. So wirken wir für unser Selbst, für unsere Familie, unsere n Beruf, unseren Staat, unser Volk, unsere Kultur nicht aus Egoismus oder Chauvinismus, sons dern, so parador es klingt, aus Kosmopolitismus. Gerade weil wir Bürger der Welt sind, sind wir Bürger


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Weitere Werke meines Verlages über Friedrich Niebiche:

erflärt und gewürdigt von

Oberlehrer Vans Weichelt. 1910. VIII, 319 S. Preis M. 5.—, gebunden M. 6.20.

Wir besißen schon mehrere Kommentare zum „Zarathustra“, aber keinen, den man weiteren Kreisen mit so gutem Gewissen empfehlen könnte, wie den unlängst erschienenen von Hans Weichelt. Er gehört zu dem Besten, was über Nießiche geschrieben worden ist, und zeichnet sich vor allem dadurch aus, daß ihn ein Mann geliefert hat, der Niebiche versteht und verehrt und ihn doch nicht adoriert, sondern freimütig und herzhaft tritisiert. ... Aller Pedanterie abgeneigt, erweist fich Weichelt als selbständiger und geschmadvoller Interpret, der feinfühlig nachzuempfinden, geschidt zu reproduzieren und prägnant zu formulieren vermag.

Berliner Tageblatt. Ein Buch, edel in Sprache und Gedankenbildung, inhaltlich ebenso audgezeichnet wie in der Form, von außerordentlicher Sachkenntnis und Belesenheit zeugend, wird es sich seinen Plaß in der ernst zu nehmenden NiebicheLiteratur erobern.

Neues Sächsisches Kirchenblatt. Der Zarathustra bedarf eines Kommentars: das wird jeder gugeben, Ider darin studiert oder auch nur geblättert hat; jeder auch, der es betlagt, daß das falsch verstandene Wert in inanchem unreifen Ropfe Verwirrung angerichtet hat. Weichelts Buch bietet nun eine feinsinnige, in die Tiefe dringende Erklärung und eine besonnene, gerecht abwägende Würdigung. Prof. Dr. U. Messer.

Beffimismus, Niebsche und Naturalismus

mit besonderer Beziehung auf die Religion.

Von D. August Dorner ord. Professor der Theologie an der Universität Königsberg.

VIII, 328 S. Preis M. 6.-, geb. M. 7.—. Ein angenehmes, leicht lesbares, doch gehaltvolles Buch .. Es ist als eine Darstellung der Gegenjäße und Strömungen, in denen wir noch stehen, auch eines allgemeinen Interesses wert. Seitschrift für den deutschen Unterricht.

The section devoted to Nietzsche, which extends to nearly 100 pages, contains the most careful and philosophic examination of the bases of his thought, and the calmest estimate of his influence which we have so far met with.

Review of Theology and Philosophy.

Nieksche als Bildner der Persönlichkeit

Bortrag, gehalten am 16. Ott. 1910 im Niebiche-Archiv zu Weimar

von Dr. Ricard Dehler.

1911. 31 Seiten. Preis M. --,60. Bei aller Kürze ist das Schriftchen vorzüglich geeignet, in die Ideengånge Niebiches einzuführen.

Augsburger Bostzeitung. Ein gedantenreicher, feinsinniger Aufsaß, den auch der mit Genuß lesen wird, der auf ganz anderem Standpuntte steht.

Dr. Buchenau in der Leipziger Lehrerzeitung.


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Florentinische Introduktion zu einer Philosophie der Architektur u. der schönen Künste

Von Leopold Ziegler. Preis in vornehmem Geschenkband mit 9 Bildtafeln M. 4.—.

Heutige Kunstbetrachtung hat für unser modernes Kunstbedürfnis leicht etwas Dürrcs, beinahe Antiquiertes. Jeßt, da wir in tünstlerischen Anschaus ungen vielleicht wieder wissender geworden sind, wenden wir uns gerne zu den Büchern der Künstler selbst, um Aufschlüsse über Probleme des ästhetischen Schaffens zu erhalten, die sich uns zu neuen, allgemeinen Erkenntnissen zusammenschließen können. Heute liegt uns ein neuer Typus vor, das Buch eines Philosophen, das die abstraktesten Gedankengänge in einen klaren, strengen Stil, in denkbar präzise Form zwingt, das zudem aber auf dem frischen Boden intuitiven Kunstempfindens steht und sich bei aller spekulativen Tiefe nie an tunstferne Probleme verliert. Die heitelsten, man kann sagen, die gefahrvollsten" Fragestellungen der Ästhetit werden auf tühne Art ergriffen und behandelt, so daß selbst die Irrtümer des Buches als fruchtbare Anregung wirken. Zieglers immer raditale Theorien nötigen zum Nachdenken, zur Stellungnahme, zur Entscheidung Fär oder Wider, auch zum bewußten Sichbescheiden.

„Frankfurter Zeitung“ in einer sechs Spalten langen Besprechung. Ich möchte den Inhalt des Buches hier nicht ausbreiten, weil es wirklich genossen zu werden verdient. Ich wiú daher nne anführen, worüber es spricht: Über Brunelleschis Domkuppel, mit wertvollen Allgemeinbemerkungen über das Ästhetische an der Baukunst, dann über den Palazzo Pitti und San Spirito, über Ghibertis Reliefkunst und den Plastiter Brunelleschi, über Michelangelo (namentlich Cappella Medici, Grablegung und Juliusgrab), dann von Masaccio und Gozzoli Ausblide auf Macées (bei Michelangelos Torien), Hinweise auf den Rhythmus in der primitiven Musit und der primitiven Malerei bereichern den Inhalt. Überall find Zieglers Maßstäbe sehr hoch, sehr streng und künstlerisch. Er spricht in der Vorrede selber aus, daß radikale Folgerungen keineswegs vermieden, sondern aufgesucht werden sollen. Das wird ia anregen und geschieht hier in vornehmer Art. Und nach einigen kritischen Bemerkungen schließt die Besprechung: Und dennoch habe ich soeben, beim nachträglichen Blättern in dem Buch, begonnen, es zum zweiten Male durchzulesen.

Erich Everth in der Zeitschrift für Ästhetit.

W. v. Humboldts philosophisde Shriften

In Auswahl herausgegeben von Joh. Schubert. 1910. XXXIX, 222 S. Preis M. 3.40, geb. M. 4.—.

Aus dem Inhalt u. a.: Über Goethes Hermann und Dorothea. Über die Aufgabe des Geschichtsschreibers. Latium und Hellas.

über das vergleichende Sprachstudium in Bez. auf die versch. Epochen der Sprachentwidlung.

Über die unter dem Namen Bhagavad-Gîtâ bekannte Episode des MahaBhârata. Über die innere und äußere Drganisation der höheren wissenschaftlichen Anstalten in Berlin.

Humboldts Beschäftigung mit unseren Klassitern, sein tiefes Eingehen auf ihre dichterischen Pläne und Gedanken, seine Beurteilung ihrer Werke, fein genialer staatsmännischer Blid, der das politische Vermächtnis eines Stein in seinem Ressort der Verwirklichung entgegenführt, vor allem seine unsterbliche Leistung, die Gründung der Berliner Universität im Jahre 1810, alles dies zeugt von einem herrlich in die Tat des Lebens überseßten Jdealismus und macht seinen Urheber über alle von Fach und Beruf begrenzten Begriffe hinweg zum ,,Philosophen der Humanität“.

Der Tag.

Drud: Otto Wigand m. b. $., Leipzig.


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Florentinische Introduktion zu einer Philosophie der Architektur u. der schönen Künste

Von Leopold Ziegler. Preis in vornehmem Geschenkband mit 9 Bildtafeln M. 4.—.

Heutige Kunstbetrachtung hat für unser modernes Kunstbedürfnis leicht etwas Dürrcs, beinahe Antiquiertes. Jeßt, da wir in tünstlerischen Anschaus ungen vielleicht wieder wissender geworden sind, wenden wir uns gerne zu den Büchern der Künstler selbst, um Aufschlüsse über Probleme des ästhetischen Schaffens zu erhalten, die sich uns zu neuen, allgemeinen Erkenntnissen zusammenschließen können. Heute liegt uns ein neuer Typus vor, das Buch eines Philosophen, das die abstraktesten Gedankengänge in einen klaren, strengen Stil, in denkbar präzise Form zwingt, das zudem aber auf dem frischen Boden intuitiven Kunstempfindens steht und sich bei aller spekulativen Tiefe nie an tunstferne Probleme verliert. Die heitelsten, man kann sagen, die gefahrvollsten" Fragestellungen der Ästhetit werden auf tühne Art ergriffen und behandelt, so daß selbst die Irrtümer des Buches als fruchtbare Anregung wirken. Zieglers immer raditale Theorien nötigen zum Nachdenken, zur Stellungnahme, zur Entscheidung Fär oder Wider, auch zum bewußten Sichbescheiden.

„Frankfurter Zeitung“ in einer sechs Spalten langen Besprechung. Ich möchte den Inhalt des Buches hier nicht ausbreiten, weil es wirklich genossen zu werden verdient. Ich wiú daher nne anführen, worüber es spricht: Über Brunelleschis Domkuppel, mit wertvollen Allgemeinbemerkungen über das Ästhetische an der Baukunst, dann über den Palazzo Pitti und San Spirito, über Ghibertis Reliefkunst und den Plastiter Brunelleschi, über Michelangelo (namentlich Cappella Medici, Grablegung und Juliusgrab), dann von Masaccio und Gozzoli Ausblide auf Macées (bei Michelangelos Torien), Hinweise auf den Rhythmus in der primitiven Musit und der primitiven Malerei bereichern den Inhalt. Überall find Zieglers Maßstäbe sehr hoch, sehr streng und künstlerisch. Er spricht in der Vorrede selber aus, daß radikale Folgerungen keineswegs vermieden, sondern aufgesucht werden sollen. Das wird ia anregen und geschieht hier in vornehmer Art. Und nach einigen kritischen Bemerkungen schließt die Besprechung: Und dennoch habe ich soeben, beim nachträglichen Blättern in dem Buch, begonnen, es zum zweiten Male durchzulesen.

Erich Everth in der Zeitschrift für Ästhetit.

W. v. Humboldts philosophisde Shriften

In Auswahl herausgegeben von Joh. Schubert. 1910. XXXIX, 222 S. Preis M. 3.40, geb. M. 4.—.

Aus dem Inhalt u. a.: Über Goethes Hermann und Dorothea. Über die Aufgabe des Geschichtsschreibers. Latium und Hellas.

über das vergleichende Sprachstudium in Bez. auf die versch. Epochen der Sprachentwidlung.

Über die unter dem Namen Bhagavad-Gîtâ bekannte Episode des MahaBhârata. Über die innere und äußere Drganisation der höheren wissenschaftlichen Anstalten in Berlin.

Humboldts Beschäftigung mit unseren Klassitern, sein tiefes Eingehen auf ihre dichterischen Pläne und Gedanken, seine Beurteilung ihrer Werke, fein genialer staatsmännischer Blid, der das politische Vermächtnis eines Stein in seinem Ressort der Verwirklichung entgegenführt, vor allem seine unsterbliche Leistung, die Gründung der Berliner Universität im Jahre 1810, alles dies zeugt von einem herrlich in die Tat des Lebens überseßten Jdealismus und macht seinen Urheber über alle von Fach und Beruf begrenzten Begriffe hinweg zum ,,Philosophen der Humanität“.

Der Tag.

Drud: Otto Wigand m. b. $., Leipzig.


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