Was kann man gegen unsicheres Gehen machen

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Von einer Gangstörung spricht man, wenn die Ganggeschwindigkeit vermindert oder das Gangmuster krankhaft verändert sind. Eine Gangstörung sollte immer ernst genommen werden, da zum einen schwerwiegende Erkrankungen dahinter stecken können. Zum anderen können Gangstörungen dramatische Folgen für das Leben eines Betroffenen haben, da durch den Mobilitätsverlust den Betroffenen ein Verlust der Unabhängigkeit droht, der die Lebensqualität sehr einschränkt. Lesen Sie hier alles Wichtige über Ursachen und Behandlung der Gangstörung.

Artikelübersicht

Gangstörung

  • Ursachen und mögliche Erkrankungen

  • Wann sollten Sie zum Arzt?

  • Das können Sie selbst tun

Gangstörungen können unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Während ein leichtes Humpeln mitunter kaum auffällt, können schwere Gehstörungen ein Gehen auch vollkommen unmöglich machen und somit die Mobilität des Betroffenen massiv einschränken. Ärzte sprechen von einer Gangstörung, wenn der Gang eines Menschen in Bezug auf die Ganggeschwindigkeit oder das Gangmuster erheblich von der Norm abweicht.  Während junge Menschen beim normalen Gehen etwa eine Geschwindigkeit von 2,5 Meter pro Sekunde zurücklegen, sind es bei älteren Menschen nur etwa 1,5 Meter pro Sekunde. Das aber ist noch als normale Altersentwicklung anzusehen. Wenn die Ganggeschwindigkeit allerdings noch deutlich geringer ist, könnte es sich um eine Gangstörung handeln.

Neben der Geschwindigkeit kann auch das Gangmuster auffällig sein. Normalerweise sollte das Gangmuster „harmonisch“ wirken, das Gehen also insgesamt eine flüssige und symmetrische Bewegung darstellen. Zu einem harmonischen Gangmuster gehört auch das Mitschwingen der Arme. Ein normaler Gang zeichnet sich ferner dadurch aus, dass die Füße einen normalen Abstand voneinander haben, die Schrittlänge normal lang ist und die Fußsohle beim Gehen weder zu weit, noch zu wenig angehoben wird, wenn der Fuß nach vorne geführt wird.

Da Gehen in aller Regel intuitiv abläuft, machen sich die meisten Menschen keine Gedanken darüber, welche komplexen Abläufe in Nervensystem und Muskulatur für einen normalen Gang tatsächlich notwendig sind. Besonders wichtig für einen ungestörten Gang sind der Gleichgewichtsorgan, die eigene (unbewusste) Bewegungswahrnehmung, Informationen durch die Augen und die präzise Steuerung der Muskulatur. Eine Störung in einem dieser Bereiche kann zu einer Gangstörung führen.

Was kann man gegen unsicheres Gehen machen

Therapien

Nachdem die Ursache für die Gangstörung feststeht, wird der Arzt Ihnen erklären, welche Therapie notwendig ist. Die Behandlung der Gangstörung richtet sich vollkommen nach der zugrunde liegenden Ursache. Während manche Ursachen (wie beispielsweise Vitaminmangel oder Medikamentennebenwirkungen) manchmal reversibel sind, geht es bei anderen Erkrankungen eher darum, das Voranschreiten aufzuhalten (Parkinson, Multiple Sklerose).

Gerade bei orthopädischen Ursachen ist gelegentlich auch ein operativer Eingriff notwendig. In vielen Fällen sind bei Gangstörungen unterstützende Therapiemaßnahmen wie Physiotherapie (Krankengymnastik) und physikalische Behandlungsmethoden (wie Bewegungsbäder, Massagen, Wärmeanwendungen, etc.) sinnvoll, um die Muskelkraft zu stärken und die Bewegungskoordination zu verbessern.

Bei Gangstörungen kann auch durch eigenes Engagement ein positiver Einfluss auf die Beschwerden ausgeübt werden. Wichtig ist wie bei vielen anderen Erkrankungen auch,  einen gesunden Lebensstil mit ausreichend Bewegung zu pflegen. Das regelmäßige Training von Muskulatur und Gleichgewichtssinn ist bei Gangstörungen extrem wichtig: Dadurch kann die Schwere einer Gangstörung stark abgemildert werden, selbst wenn es sich um eine Ursache handelt, für die derzeit keine Heilung existiert (zum Beispiel bei Parkinson).

Im Rahmen der Behandlung einer Gangstörung lernt man in der Physiotherapie einige Gangübungen. Diese sollten zu Hause regelmäßig durchgeführt werden. Auch wenn die Fortschritte im wahrsten Sinne des Wortes nur langsam und „Schritt für Schritt“ erfolgen. Indem noch bestehende Reserven gestärkt und mobilisiert werden, können Defekte im Nervensystem häufig ausgeglichen werden.

Empfehlenswert und für die meisten Menschen einfach durchzuführen, sind neben den Gehübungen auch regelmäßige Gymnastik und Spaziergänge. Insbesondere Gehtraining durch „Nordic Walking“ kann sehr effektiv sein. Die Stöcke beim Nordic Walking sichern zusätzlich gegen Stürze ab. Zu einem gesunden Lebensstil gehört auch ein bewusster und zurückhaltender Alkoholkonsum.

Bei einer bestehenden Gehstörung sollte gegebenenfalls ganz auf Alkohol verzichtet werden, da Alkohol Gehirn und Nervenbahnen schädigt. Eine Polyneuropathie durch Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) gehört zu den häufigen Ursachen einer Gangstörung. Wenn der Diabetes rechtzeitig beim Arzt entdeckt und behandelt wird, sind schwere Konsequenzen wie eine Gangstörung häufig vermeidbar.

Wichtig bei Gangstörungen: Sturzprophylaxe

Bis zu einem gewissen Ausmaß ebenfalls vermeidbar sind Stürze. Sie bergen nicht nur die Gefahr einer ernsthaften Verletzung, sondern führen häufig auch zu Angst vor dem Gehen. Aus Furcht vor einem weiteren Sturz vermeiden Betroffene das Gehen immer mehr, wodurch ihre körperlichen Reserven kontinuierlich abnehmen. Außerdem verlassen sie  zunehmend seltener das Haus und können dadurch manchmal in eine soziale Isolation geraten, welche sich besonders negativ auf die gesamte Prognose auswirkt.

Wenn ein Mensch mit Gangstörung bereits gestürzt ist oder ein Sturz jederzeit eintreten könnte, sollten in jedem Fall vorbeugende Maßnahmen getroffen werden, um das Sturzrisiko und die möglichen Folgen eines Sturzes zu minimieren.

Beispielsweise können spezielle, gepolsterte Hosen („Hüftprotektoren“)  die Hüftgelenke und den Oberschenkelknochen bei einem Sturz vor einem Knochenbruch schützen. Weitere Tipps und Informationen, wie man sein Zuhause einrichtet, um Stürze bei einer Gangstörung zu vermeiden, finden sich zahlreich im Internet. So bietet zum Beispiel der Verein„Barrierefrei Leben e.V.“ in Hamburg eine kostenlose Online-Beratung dazu an, wie Sie das Sturzrisiko in der eigenen Wohnung senken können.

Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

  • Ceballos-Bauman A, Conrad B (Hrsg.): Bewegungsstörungen. Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2. Auflage (2005)
  • Jordbru AA, Smedstad LM, Klungsoyr O, Martinsen EW. Psychogenic gait disorder: A randomized controlled trial of physical rehabilitation with one-year follow-up. J Rehabil Med. 2014;46(2):181-7.
  • Masuhr K, Masuhr F, Neumann M: Duale Reihe Neurologie. Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 7.Auflage (2013)