Welche arten von diabetes gibt es

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Pressemitteilung: Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE)

Forscher schlagen neue Einteilung vor

Aktuelle Studien vorgestellt und kommentiert von Prof. Helmut Schatz

Welche arten von diabetes gibt es
Am 1. März 2018 publizierten die Autoren um Leif Groop eine neue Diabeteseinteilung in fünf Gruppen anstelle der traditionellen zwei Hauptgruppen Typ-1 und Typ-2. Sie untersuchten etwa 15.000 neumanifestierte Diabetespatienten in fünf Kohorten aus Schweden und Finnland über mehrere Jahre. Größtes Kollektiv war das von ANDIS (All New Diabetics in Scania) mit knapp 9.000 neudiagnostizierten Diabetespatienten zwischen 2008 und 2016. Die übrigen vier skandinavischen Kohorten unterschieden sich vom ANDIS-Kollekiv nicht wesentlich. Lediglich die Gruppe 5 (s. u.) war in Finnland größer als in Schonen (Scania). Zwischen Frauen und Männern bestand kein nennenswerter Unterschied.

Das Team um Leif Groop verwendete sechs Variable für eine datengetriebene Cluster-Analyse: Alter bei Diagnose, Body Mass Index (BMI), HbA1c, GADA, C-Peptid zur Abschätzung der Betazellfunktion (HOMA2-B) sowie der Insulinresistenz (HOMA2-IR).

Die fünf neuen Kategorien (Gruppe 1 bis 5, s. u.) kann man in drei mit schwerer und zwei mit milder Krankheitsform einteilen. Gruppe 1 entspricht dem bisherigen Typ-1-Diabetes, die übrigen vier sind neue Subtypen des traditionellen Typ-2-Diabetes. Von letzteren wies die schwer insulinresistente Gruppe 3 ein signifikant erhöhtes Nephropathie-Risiko auf, Gruppe 2 mit relativ jungen, insulindefizienten Patienten, schlechter Stoffwechselkontrolle und hohem HbA1c war besonders Retinopathie - gefährdet Die größte Gruppe 5 umfasste die ältereren Patienten mit einem relativ benignen Krankheitsverlauf.

Gruppe 1, SAID (severe autoimmune diabetes): entspricht im wesentlichen Typ-1 und LADA (latent autoimmune diabetes in adults), charakterisiert durch Beginn im jugendlichen Alter, schlechte Stoffwechselkontrolle (hohes HbA1c), verminderte Insulinproduktion und Antikörper gegen die Glutaminsäure-Dekarboxylase (GADA).

Gruppe 2, SIDD (severe insulin-deficient diabetes): Menschen mit hohem HbA1C, verminderter Insulinsekretion und mäßiger Insulinresistenz. Gruppe 2 hat das höchste Risiko für Retinopathie.

Gruppe 3, SIRD (severe insulin-resistant diabetes): charakterisiert durch Adipositas und schwere Insulinresistenz. Group 3 hat das höchste Nephropathie-Risiko - die Folgeerkrankung mit den höchsten Kosten für die Allgemeinheit.

Gruppe 4, MOD (mild obesity-related diabetes): adipöse Patienten, die schon in relativ jungen Jahren erkranken.

Gruppe 5, MARD (mild age-related diabetes): die größte Gruppe (etwa 40 %), setzt sich aus meist älteren Patienten zusammen.

Genetische Analysen zeigten Assoziationen zu den verschiedenen Clustern auf, unterschiedlich zum traditionellen Typ-2-Diabetes.

Kommentar

"Die am stärksten insulinresistenten Patienten (Gruppe 3) sollten den größten Nutzen durch die neue Diagnostik haben, da sie gegenwärtig am wenigsten korrekt behandelt werden", erklärte Leif Groop in einer Pressemitteilung. Und er fuhr fort: "Die gegenwärtigen Leitlinien sind limitiert, da sie auf eine schlechte Stoffwechseleinstellung erst reagieren, wenn sich diese schon eingestellt hat. Sie berücksichtigen nicht die am stärksten für Folgeerkrankungen anfälligen Patienten (Gruppe 2 und 3), welche schon frühzeitig eine intensivierte Behandlung benötigen". In einem begleitenden Editorial äußert Rob Sladek aus Kanada, dass sich in zukünftigen Studien noch zeigen werde, ob weitere Faktoren, die in dieser Cluster-Analyse nicht berücksichtigt wurden, möglicherweise auch einen Einfluss auf das Outcome haben.

Es wird wohl längere Zeit brauchen, bis sich diese Klassifikation mit den neuen Erkenntnissen zur Prognoseabschätzung und den therapeutischen Konsequenzen einer individualisierten Betreuung beim bisherigen "Typ-2-Diabetes" durchgesetzt haben wird. Der Referent befürchtet, dass dies in absehbarer Zeit nicht der Fall sein dürfte. Kleine, einfache Kalkulatoren für die Diagnostik der fünf Cluster sollten wohl kein Problem sein. Ob jedoch alle fünf Variablen, insbesondere GADA und C-Peptid immer bei allen neuen Diabetespatienten im ganzen Land bestimmt werden, bleibt abzuwarten. Aber allein schon die einfachen Variablen wie Alter, BMI und initialer HbA1c-Wert sollten den klinischen Blick in eine bestimmte Richtung weisen und das Bewusstsein für die Heterogenität des Typ-2-Diabetes weiter schärfen.

Helmut Schatz

  • Emma Ahlkvist et al., with Leif Groop as senior author: Novel subgroups of adult-onset diabetes and their association with outcomes: a data-driven cluster analysis of six variables. THE LANCET Diabetes & Endocrinology published online March 1, 2018

  • Press release: Paradigm shift in the diagnosis of diabetes.

  • ANDIS: http://andis.ludc.med.lu.se/

  • Rob Sladek: The many faces of diabetes: addressing heterogeneity of a complex disease. THE LANCET Diabetes & Endocrinology published online March 1, 2018. Vol. 6 (5):348-349

Bildunterschrift: Prof. Helmut Schatz
Bildquelle: privat

zuletzt bearbeitet: 18.05.2018

Welche arten von diabetes gibt es

Allen Diabetestypen gemein ist, dass sie oft lange keine Beschwerden verursachen. Sie können trotzdem aber schon Schäden unter anderem an Organen und Blutgefäßen anrichten. Schnelle Hilfe ist gefragt.

Umgangssprachlich heißt Diabetes mellitus „Zuckerkrankheit“, wörtlich übersetzt „honigsüßer Durchfluss“ – und in seiner Bedeutung steht es für eine Reihe von Stoffwechselerkrankungen, bei denen die Produktion des blutzuckerregulierenden Hormons Insulin zurückgefahren oder ganz eingestellt wird. Die Folge ist ein chronisch hoher Blutzuckerspiegel. Im Fall von Diabetes mellitus Typ 1 ist das unumkehrbar – beim Typ 2 kann man es wieder in den Griff bekommen. Wir erklären, welche Formen es gibt.

Typ-1-Diabetes: In diesem Fall werden die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse durch fälschlich gebildete Antikörper zerstört. Dadurch wird kein oder kaum noch Insulin produziert – das Hormon, das den Blutzuckerspiegel kontrolliert, beziehungsweise senkt. Die Folge: Der Blutzuckerspiegel steigt unbemerkt an, was zu Gefäß- und Gewebeschäden führen kann. Um das zu verhindern, müssen Diabetiker regelmäßig Insulin spritzen. Dabei muss aber beachtet werden, dass der Blutzuckerspiegel nicht zu tief sinkt – sonst drohen schlimmstenfalls Schwächeanfälle bis hin zum Koma.
Von dieser Form betroffen sind rund vier Prozent der Diabetiker. In den meisten Fällen entsteht sie schon im Kindes- oder Jugendalter, in seltenen Fällen noch bei Erwachsenen. Für das Entstehen eines Typ-1-Diabetes werden unter anderem erbliche Veranlagungen vermutet, die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind eines betroffenen Elternteils auch erkrankt, liegt bei rund vier Prozent. Sind beide Eltern betroffen, liegt sie bei rund 20 Prozent. Betroffene müssen ihren Blutzuckerspiegel ihr Leben lang kontrollieren und Insulin spritzen. Eine häufige Begleiterkrankung ist Zöliakie – Glutenunverträglichkeit. Somit müssen viele Typ-1-Erkrankte sehr extrem auf ihre Ernährung achten.

Typ-2-Diabetes: Mit etwa 90 Prozent ist dies die häufigste Form, sie tritt überwiegend bei Erwachsenen auf. Früher wurde sie auch als Altersdiabetes bezeichnet, weil häufig ältere Menschen an ihr erkrankten. Mittlerweile hat sich das Alter der Betroffenen aber gesenkt, was vermutlich mit Risikofaktoren wie Übergewicht durch falsche, zu kohlenhydratlastige Ernährung und Bewegungsmangel zusammenhängt. Beides führt nach und nach zu einem zu hohen Blutzuckerspiegel durch eine sogenannte Insulinresistenz. Das bedeutet, dass die verarbeitenden Zellen nicht mehr in vollem Umfang auf das Insulin reagieren können. Um den nötigen blutzuckerregulierenden Effekt zu erzielen, wird dann immer mehr Insulin gebraucht. Dieses muss – genau wie beim Typ 1 – von außen zugeführt werden. Zusätzlich zu den äußeren Faktoren spielt aber auch hier die Vererbung eine große Rolle. Im Unterschied zu Diabetes Typ 1 kann Typ 2 aber wieder reguliert werden. Wichtig hierfür ist, dass Betroffene ihre Ernährung konsequent umstellen und kontrollieren. Laut einer britischen Studie (DiRECT-Studie) von 2017 kann die Erkrankung durch eine Gewichtsreduktion von mindestens 15 Kilo bei vielen Betroffenen zurückgedrängt werden.

Schwangerschaftsdiabetes (Diabetes Typ 4): Diese Form tritt entweder erstmals während der Schwangerschaft, etwa zwischen der 24. und 28. Woche, auf – oder wird erst während einer Schwangerschaft entdeckt. Betroffen sind rund vier Prozent aller werdenden Mütter – es ist die häufigste Stoffwechselerkrankung während einer Schwangerschaft. Bleibt sie unentdeckt, kann das große gesundheitliche Folgen für Mutter und Kind haben. Der Entstehungszeitpunkt 24. bis 28. Woche hängt mit den hormonellen Veränderungen während einer Schwangerschaft zusammen. In diesem Abschnitt nimmt die Insulinempfindlichkeit der Zellen wegen hormoneller Turbulenzen fast bei jeder Schwangeren ab, wodurch der Blutzuckerspiegel leicht ansteigt. Liegt aber eine echte Schwangerschaftsdiabetes vor, steigt er deutlich an – was behandelt werden muss. Bestimmte Risikofaktoren erhöhen die Wahrscheinlichkeit. Dazu gehören zum Beispiel Diabetes in der Familie, Bluthochdruck oder Stoffwechselstörungen. Außerdem erhöht ein Alter von über 30 Jahren bei der ersten Geburt die Wahrscheinlichkeit. Nach der Entbindung normalisiert sich der Blutzuckerspiegel in fast allen Fällen wieder. Allerdings können Frauen, die eine Schwangerschaftsdiabetes hatten, später an Diabetes mellitus Typ 1 oder 2 erkranken. Die Wahrscheinlichkeit liegt bei 30 bis 50 Prozent.

Diabetes Typ 3: Unter dieser Bezeichnung sind sonstige, seltene Diabetesformen zusammengefasst, die durch äußere Faktoren ausgelöst werden können. Dazu gehören unter anderem genetische Störungen, hormonelle Störungen, Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse wie zum Beispiel Bauchspeicheldrüsenentzündungen, regelmäßige und langfristige Kortisoneinnahme. Liegt eine bestimmte genetische Störung vor, wird die Diabetesform MODY genannt.