Ist pflegeversicheurg das gleiche wie rentenversicherung

  1. Bei der Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen erfordert Art. 3 Abs. 1 GG die Beachtung des aus dem allgemeinen Gleichheitssatz abgeleiteten Gebots der Belastungsgleichheit, das sich auf alle staatlich geforderten Abgaben erstreckt. Wirken sich Beitragsregelungen innerhalb der Gruppe der Familien zu Lasten bestimmter Familienkonstellationen nachteilig aus, so muss der Staat den besonderen Schutz beachten, den er der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG schuldet.

  1. Aus Art. 3 Abs. 1 GG folgt das Gebot, wesentlich Gleiches gleich (Differenzierungsverbot) und wesentlich Ungleiches ungleich (Differenzierungsgebot) zu behandeln.

  1. Bei formal gleichbehandelnden Vorschriften ist der allgemeine Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Differenzierungsverbot einschlägig, wenn durch sie eine Belastungsungleichheit normativ veranlasst wird; demgegenüber ist Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Differenzierungsgebot in Ansatz zu bringen, wenn die Belastungsungleichheit auf tatsächlichen Ungleichheiten des zu ordnenden Lebenssachverhalts beruht.

  1. Für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung einer Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem sind im Ausgangspunkt die für die Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen geltenden Maßstäbe in Ansatz zu bringen.

  1. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung ist darauf zu beziehen, ob gerade die nicht differenzierende Regelung einem legitimen Zweck dient und zur Erreichung dieses Zwecks geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne ist.

  1. Eine Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem ist dann nicht erforderlich, wenn der Gesetzgeber durch eine stärker zugunsten der hierdurch Benachteiligten differenzierende Regelung das angestrebte Regelungsziel ohne Belastung Dritter oder der Allgemeinheit gleich wirksam erreichen oder fördern kann.

  1. Im Sozialversicherungsrecht ist der Gesetzgeber aber nicht gehalten, eine eventuell gebotene Besserstellung einzelner Versicherter durch einen Steuerzuschuss zu finanzieren. Mildere Mittel sind nicht solche, die eine Kostenlast lediglich verschieben.

  1. Eine Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem ist nur dann verhältnismäßig im engeren Sinne, wenn die Bedeutung der mit der gleichen Behandlung verfolgten Ziele in einem angemessenen Verhältnis zur tatsächlichen Ungleichheit des zu ordnenden Lebenssachverhalts und zum Ausmaß der sich hieraus bei gleicher Behandlung ergebenden Benachteiligung stehen.

  1. In der sozialen Pflegeversicherung führt die von der Kinderzahl unabhängige gleiche Beitragsbelastung von Eltern zu einer verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigten Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem.

  1. In der gesetzlichen Rentenversicherung und der gesetzlichen Krankenversicherung begründet die gleiche Beitragsbelastung von Eltern und Beitragspflichtigen ohne Kinder dagegen keine Benachteiligung der Eltern, weil durch die rentenrechtliche Anerkennung von Kindererziehungszeiten und die beitragsfreie Familienversicherung im Krankenversicherungsrecht ein hinreichender Nachteilsausgleich erfolgt.

  1. § 55 Absatz 1 Satz 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch in der Fassung vom 26. Mai 1994 (Bundesgesetzblatt I Seite 1014), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Fünften Gesetzes zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch – Beitragssatzanpassung – vom 17. Dezember 2018 (Bundesgesetzblatt I Seite 2587), § 55 Absatz 3 Sätze 1 und 2 des Elften Buches Sozialgesetzbuch in der Fassung vom 15. Dezember 2004 (Bundesgesetzblatt I Seite 3448), zuletzt geändert durch Artikel 2 Nummer 14 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz) vom 11. Juli 2021 (Bundesgesetzblatt I Seite 2754), und § 57 Absatz 1 Satz 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch in der Fassung vom 23. Dezember 2002 (Bundesgesetzblatt I Seite 4607), zuletzt geändert durch Artikel 2 Nummer 15 des Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetzes, sind insoweit mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar, als beitragspflichtige Eltern unabhängig von der Zahl der von ihnen betreuten und erzogenen Kinder mit gleichen Beiträgen belastet werden.

  1. Die vorgenannten Vorschriften können bis zu einer Neuregelung weiter angewendet werden. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, eine Neuregelung spätestens bis zum 31. Juli 2023 zu treffen.

  1. Die Verfassungsbeschwerde im Verfahren 1 BvR 2257/16 wird im Übrigen, die Verfassungsbeschwerde im Verfahren 1 BvR 2824/17 wird vollständig zurückgewiesen.

  1. Die Bundesrepublik Deutschland hat der Beschwerdeführerin in dem Verfahren 1 BvR 717/16 ihre notwendigen Auslagen vollständig zu erstatten. In dem Verfahren 1 BvR 2257/16 hat die Bundesrepublik Deutschland der Beschwerdeführerin und dem Beschwerdeführer ein Drittel ihrer notwendigen Auslagen zu erstatten.

(1) Im Jahr 2020 lagen die Einnahmen des Gesundheitsfonds bei insgesamt rund 264,29 Mrd. Euro (2019: ca. 246,39 Mrd. Euro). Davon entfielen etwa 236,48 Mrd. Euro auf Einnahmen aus Beiträgen (2019: ca. 232,02 Mrd. Euro). Den Einnahmen standen Ausgaben von rund 267,85 Mrd. Euro (2019: ca. 245,84 Mrd. Euro) gegenüber (vgl. Bundesamt für Soziale Sicherung, Jährliche Rechnungsergebnisse des Gesundheitsfonds, 2016 bis 2020, S. 2 f.). Die Leistungsausgaben je Versichertenjahr betrugen nach den Angaben der Bundesregierung im Jahr 2018 für Versicherte im Alter von unter 20 Jahren 1.500,61 Euro, für Versicherte im Alter von 20 bis 64 Jahren 2.518,82 Euro und für 65-jährige oder ältere Versicherte 6.085,80 Euro.

(1) Im Jahr 2020 hatte die gesetzliche Rentenversicherung Gesamteinnahmen in Höhe von rund 334,41 Mrd. Euro (2019: ca. 326,68 Mrd. Euro). Die Beitragseinnahmen betrugen etwa 252,73 Mrd. Euro (2019: ca. 247,98 Mrd. Euro), also knapp 76 % der Gesamteinnahmen. Im Jahr 2020 beliefen sich die Bundeszuschüsse auf rund 80,55 Mrd. Euro (2019: ca. 77,56 Mrd. Euro), also knapp 24 % der Gesamteinnahmen. Hinzu kamen unter 1 % sonstige Einnahmen, insbesondere Erstattungen. Dem standen rund 338,30 Mrd. Euro Ausgaben gegenüber (2019: ca. 324,82 Mrd. Euro). Davon entfielen 303,68 Mrd. Euro auf Rentenzahlungen (2019: ca. 291,36 Mrd. Euro; zum Ganzen: Statistik der Deutschen Rentenversicherung, Rentenversicherung in Zeitreihen <DRV-Schriften Band 22, Oktober 2021>, S. 238 f.).

Im Jahr 2020 bezogen ca. 4,32 Mio. Pflegebedürftige Leistungen der sozialen Pflegeversicherung. Davon erhielten 3,48 Mio. ambulante und 0,84 Mio. stationäre Leistungen (Bundesministerium für Gesundheit, Zahlen und Fakten zur Pflegeversicherung, Stand: 14. Juni 2021, S. 1). Die Zahl der Leistungsbezieher in der sozialen Pflegeversicherung hat sich in der Vergangenheit beständig erhöht (1995: 1,061 Mio.; 2000: 1,822 Mio.; 2005: 1,951 Mio.; 2010: 2,288 Mio.; 2015: 2,665 Mio.; 2016: 2,749 Mio.; 2017: 3,301 Mio.; 2018: 3,685 Mio.; 2019: 4 Mio.; zum Ganzen: Bundesministerium für Gesundheit, Leistungsempfänger der sozialen Pflegeversicherung am Jahresende nach Altersgruppen 1995 bis 2020, S.1). Die starke Zunahme zum Jahr 2017 ist auch auf die Einführung des neuen, weiter gefassten Pflegebedürftigkeitsbegriffs ab dem 1. Januar 2017 zurückzuführen (Siebter Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Pflegeversicherung und den Stand der pflegerischen Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, April 2021, S. 28).

(1) Im Jahr 2020 standen Gesamteinnahmen von rund 50,62 Mrd. Euro Ausgaben in Höhe von etwa 49,08 Mrd. Euro gegenüber, so dass sich ein Überschuss ergab. Ein solcher bestand auch im Jahr 2019 (Gesamteinnahmen in Höhe von ca. 47,24 Mrd. Euro gegenüber Ausgaben in Höhe von etwa 43,95 Mrd. Euro). Die Beitragseinnahmen betrugen ca. 47,89 Mrd. im Jahr 2020 und rund 46,53 Mrd. Euro im Jahr 2019. Die Einnahmen der sozialen Pflegeversicherung stiegen im Jahr 2019 gegenüber dem Vorjahr deutlich um rund 25,2 % an, die Ausgaben erhöhten sich um etwa 6,5 % (zum Ganzen: Bundesministerium der Gesundheit, Die Finanzentwicklung der sozialen Pflegeversicherung von 1995 bis 2020, S. 2). Für das Jahr 2021 ist mit einem Defizit in Höhe von ca. 1,35 Mrd. Euro zu rechnen, das durch die Rücklagen ausgeglichen werden kann (GKV-Spitzenverband, „Pflegeversicherung muss in ruhigeres Fahrwasser geführt werden“, Statement vom 23. Februar 2022).

(3) 1 Der Beitragssatz nach Absatz 1 Satz 1 und 2 erhöht sich für Mitglieder nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben, um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,35 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag für Kinderlose). 2 Satz 1 gilt nicht für Eltern im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 des Ersten Buches. 3 Die Elterneigenschaft ist in geeigneter Form gegenüber der beitragsabführenden Stelle, von Selbstzahlern gegenüber der Pflegekasse, nachzuweisen, sofern diesen die Elterneigenschaft nicht bereits aus anderen Gründen bekannt ist. 4 Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen gibt Empfehlungen darüber, welche Nachweise geeignet sind. 5 Erfolgt die Vorlage des Nachweises innerhalb von drei Monaten nach der Geburt des Kindes, gilt der Nachweis mit Beginn des Monats der Geburt als erbracht, ansonsten wirkt der Nachweis ab Beginn des Monats, der dem Monat folgt, in dem der Nachweis erbracht wird. 6 Nachweise für vor dem 1. Januar 2005 geborene Kinder, die bis zum 30. Juni 2005 erbracht werden, wirken vom 1. Januar 2005 an. 7 Satz 1 gilt nicht für Mitglieder, die vor dem 1. Januar 1940 geboren wurden, für Wehr- und Zivildienstleistende sowie für Bezieher von Arbeitslosengeld II.

Der Ansparzeitraum wurde mit Rücksicht darauf gewählt, dass die Geburtsjahrgänge 1959 bis 1967 deutlich stärker besetzt seien als die davor und danach liegenden Jahrgänge und dass im Jahr 2034 der erste der geburtenstarken Jahrgänge das 75. Lebensjahr erreiche, nach dem die Wahrscheinlichkeit der Pflegebedürftigkeit deutlich ansteige. Etwa 20 Jahre später sei ein größerer Teil dieses Personenkreises bereits verstorben, und die erheblich schwächer besetzten Jahrgänge nach 1967 rückten in das Pflegealter vor (vgl. BTDrucks 18/1798, S. 42). Gleichzeitig mit der Einführung des Pflegevorsorgefonds wurde der Beitragssatz zum 1. Januar 2015 um 0,3 Prozentpunkte von 2,05 % auf 2,35 % erhöht. Dies wurde damit begründet, dass die Erhöhung insbesondere zur Finanzierung von Leistungsverbesserungen, zur Dynamisierung der Leistungen sowie zum Aufbau des Pflegevorsorgefonds erforderlich sei. Von der Erhöhung des Beitragssatzes soll dem Pflegevorsorgefonds jährlich insgesamt ein Betrag zugeführt werden, der 0,1 Beitragssatzpunkten entspricht (vgl. BTDrucks 18/1798, S. 39). Die Mittel werden monatlich zu Lasten des Ausgleichsfonds (§§ 65 ff. SGB XI) an den Pflegevorsorgefonds überwiesen. Im Jahr 2020 wurden dem Pflegevorsorgefonds ca. 1,53 Mrd. Euro (2019: etwa 1,48 Mrd. Euro) zugeführt (Bundesministerium der Gesundheit, Finanzentwicklung der sozialen Pflegeversicherung von 1995 bis 2020, S. 2).

b) Nach Angaben des Bundesministeriums der Finanzen (Bundesministerium der Finanzen, Datensammlung zur Steuerpolitik 2020/2021, S. 54 ff.) wurde 2021 für ca. 17,649 Mio. Kinder Kindergeld bezahlt. Der Familienleistungsausgleich lag bei insgesamt rund 49,24 Mrd. Euro. Davon entfielen 46,66 Mrd. Euro auf das Kindergeld und 2,58 Mrd. Euro auf die Zusatzentlastung durch den Kinderfreibetrag. Es ergaben sich eine Freistellung des Existenzminimums in Höhe von 27,095 Mrd. Euro und ein Förderanteil von 22,145 Mrd. Euro. Die finanziellen Auswirkungen familienpolitischer Maßnahmen im Bereich der Steuerentlastungen und Ausgaben insgesamt wurden für das Jahr 2021 auf 84,102 Mrd. Euro beziffert (53,140 Mrd. Euro Steuerentlastungen; 30,962 Mrd. Euro Ausgaben). Dabei sind im Bereich der Steuern neben Kindergeld und Kinderfreibeträgen der steuerliche Absetzbetrag für Kinderbetreuungskosten (§ 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG) mit 860 Mio. Euro, der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24b EStG) mit 975 Mio. Euro, der Unterhaltsfreibetrag (§ 33a Abs. 1 EStG) mit 865 Mio. Euro, der Pflegepauschbetrag (§ 33b EStG) mit 80 Mio. Euro, die Steuerermäßigung bei haushaltsnahen Beschäftigungsverhältnissen und Dienstleistungen (§ 35a Abs. 2 EStG) mit 590 Mio. Euro (ohne geringfügige Beschäftigung und Handwerkerleistungen) und das Realsplitting (Sonderausgabenabzug der Unterhaltsleistung für nachehelichen Unterhalt und Trennungsunterhalt) mit 310 Mio. Euro berücksichtigt. Bei den sonstigen Ausgaben war der größte Posten die Beitragszahlung des Bundes für Kindererziehungszeiten (knapp 16,919 Mrd. Euro; dazu oben Rn. 36), gefolgt von den Ausgaben nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (7,343 Mrd. Euro), nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (3,220 Mrd. Euro), nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (2,187 Mrd. Euro), nach dem Bundeskindergeldgesetz (1,19 Mrd. Euro), für die Stiftung „Mutter und Kind“ (96 Mio. Euro) und den Ausgaben für Mutterschaftsgeld (4 Mio. Euro).

Der Gesetzgeber habe mit seiner Entscheidung, die gebotene relative Beitragsentlastung von Versicherten mit einem oder mehreren Kindern gegenüber kinderlosen Versicherten durch einen Beitragszuschlag für Kinderlose zu bewerkstelligen, die ihm bei der Ausgestaltung des Sozialrechts von Verfassungs wegen gezogenen Grenzen für generalisierende beziehungsweise typisierende Regelungen eingehalten. Das Bundessozialgericht habe bereits früher entschieden, dass der Gesetzgeber vom Regelfall ausgegangen sei und so die geforderte relative Entlastung gegenüber Kinderlosen an das (bloße) Vorhandensein bereits eines Kindes habe knüpfen und ab dessen Geburt eine dauerhafte Beitragsentlastung habe vorsehen dürfen (Bezugnahme auf BSGE 100, 77 <81 Rn. 17>). So hätten im Jahr 2008 in 15,6 % aller Privathaushalte ein Kind, in 11 % zwei Kinder, in 2,8 % drei Kinder, in 0,6 % vier Kinder und in 0,2 % fünf und mehr Kinder gelebt. Vor diesem Hintergrund reiche die geforderte Berücksichtigung des „generativen Beitrags“ aus, um typisierend an die Elterneigenschaft anzuknüpfen, ohne dass etwa nach tatsächlichem Umfang oder tatsächlicher Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung differenziert werden müsse. Nichts Anderes könne für einen tatsächlich erhöhten Umfang beziehungsweise eine tatsächlich längere Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung infolge einer größeren Kinderzahl gelten.

Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Pflegeversicherungsurteil eine relative Beitragsentlastung „bereits ab dem ersten Kind“ gefordert und damit betont, dass jedes Kind zähle. Eine Beitragsdifferenzierung nach der Kinderzahl sei danach geboten, weil – was das Bundessozialgericht verkannt habe – das Bundesverfassungsgericht den auszugleichenden Nachteil kindererziehender Versicherter explizit konkretisiert habe. Dieser bestehe in dem erziehungsbedingten Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung, der aber, so die Beschwerdeführerin, mit zunehmender Kinderzahl entsprechend höher ausfalle. Es sei sogar davon auszugehen, dass der Verzicht im Wesentlichen proportional zur Kinderzahl sei. Es wäre sonst nicht erklärlich, weshalb im Steuerrecht Kinderfreibeträge in gleicher Höhe gemäß der Anzahl der Kinder gewährt würden. Es fehle an einem einleuchtenden Grund dafür, dass der tatsächliche Unterschied in der Erziehungsleistung beispielsweise im Verhältnis von Versicherten mit einem Kind und Versicherten mit zwei Kindern unberücksichtigt bleibe, obwohl er – im Hinblick auf die Nützlichkeit der aufgezogenen Kinder als potentielle Beitragszahler in der sozialen Pflegeversicherung – nach Art und Ausmaß genauso groß sei wie der Unterschied zwischen Versicherten mit einem Kind und Kinderlosen. Dabei handele es sich nicht um eine zulässige gesetzgeberische Typisierung. Die gegenteilige Auffassung des Bundessozialgerichts sei nicht nachvollziehbar, weil nach den von ihm selbst angeführten statistischen Zahlen die Gruppe der Privathaushalte mit nur einem Kind und die Gruppe der Privathaushalte mit zwei und mehr Kindern in etwa gleich groß seien. Der Grundrechtsverstoß sei auch intensiv. Denn der relative Unterschied zwischen Versicherten mit einem Kind und Versicherten mit zwei oder mehr Kindern sei – gemessen an dem kindererziehungsbedingten Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung – genauso groß wie oder größer als derjenige zwischen kinderlosen Versicherten und Versicherten mit einem Kind, den das Bundesverfassungsgericht als so intensiv angesehen habe, dass es eine Beitragsentlastung bereits ab dem ersten Kind gefordert habe. Dementsprechend hätten auch im Gesetzgebungsverfahren zum Kinder-Berücksichtigungsgesetz zahlreiche Experten sowie der Bundesrat eine Beitragsstaffelung nach der Kinderzahl für erforderlich gehalten. Besondere Schwierigkeiten seien damit nicht verbunden. So könne der Beitragssatz etwa an der Anzahl der kindergeldberechtigten Kinder festgemacht werden, womit zugleich der Forderung des Pflegeversicherungsurteils nach einer Entlastung der Elterngeneration während der Zeit der Betreuung und Erziehung Rechnung getragen würde.

Ungeachtet dessen sei die beitragsrechtliche Gleichbehandlung beziehungsweise Ungleichbehandlung der Beschwerdeführerin und des Beschwerdeführers in der gesetzlichen Krankenversicherung auch in einem „weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext“ sachlich gerechtfertigt. Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung gebe es in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente, mit denen der Gesetzgeber die durch Kinderbetreuung und -erziehung entstehenden Nachteile bereits im Beitrags- und Leistungsrecht ausgeglichen habe. Insoweit komme es nach dem Pflegeversicherungsurteil des Bundesverfassungsgerichts auf den Ausgleich der mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Eltern während ihrer Erwerbsphase verbundenen Belastung an, nicht hingegen auf einen Ausgleich des Vorteils der Kinderlosen im Versicherungsfall, also des Transfers, den die heutigen Kinder als zukünftige Beitragszahler zugunsten der kinderlosen Versicherten im Rentenalter würden erbringen müssen. Beitragsrecht und Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung seien bereits spezifisch familien- und kinderorientiert, die Solidarkomponente zugunsten von Versicherten mit Kindern und Familien demzufolge erheblich stärker ausgeprägt als in der sozialen Pflegeversicherung. Rechtfertigend wirke vor allem die beitragsfreie Familienversicherung, die in der gesetzlichen Krankenversicherung erheblich weiter reiche als in der sozialen Pflegeversicherung, weil Leistungen im Krankheitsfall von Kindern und beitragsfrei mitversicherten Ehegatten häufiger in Anspruch genommen würden. Dieser Einschätzung stehe das Ergebnis des von den Beschwerdeführern vorgelegten Gutachtens (Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die „beitragsfreie Mitversicherung“ auf dem Prüfstand, 2013) nicht entgegen, wonach Familien im Durchschnitt mehr an Beiträgen einzahlten als sie an Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch nähmen. Selbst wenn dieser Befund sachlich zutreffen sollte, bliebe dabei doch zu Unrecht unberücksichtigt, dass die gesetzliche Krankenversicherung eine Risikoabsicherung biete, in der allein schon ein wirtschaftlicher Wert liege.

Zu dem Vorlagebeschluss und den Verfassungsbeschwerdeverfahren haben die Bundesregierung, das Bundessozialgericht, der Bevollmächtigte der Bundesregierung für Pflege, die Deutsche Rentenversicherung Bund, der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband), der Sozialbeirat, der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, der Deutsche Juristinnenbund e.V., der Verband alleinerziehender Mütter und Väter, Bundesverband e.V., der Deutsche Caritasverband e.V., der Familienbund der Katholiken (Bundesverband) e.V. und der Deutsche Familienverband e.V., der Deutsche Sozialgerichtstag e.V., der Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V., die Erzdiözese Freiburg, das Institut der deutschen Wirtschaft sowie die Kläger des Ausgangsverfahrens im Vorlageverfahren 1 BvL 3/18 Stellung genommen.

1. a) Die Bundesregierung hebt übergreifend hervor, dass über die systeminterne Berücksichtigung der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Eltern in den hier in Rede stehenden Sozialversicherungszweigen hinaus insbesondere mit den Regelungen zum Mutterschutz, den sogenannten Frühen Hilfen nach der Geburt, dem Elterngeld, dem Ausbau der Kindertagesbetreuung, den Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe, unter anderem Hilfen zur Erziehung, der Kinderzulage nach § 85 EStG („Riester-Förderung“), dem Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung, der staatlichen Finanzierung eines Großteils der Kindertagesbetreuung und der sozialen Gestaltung der Elternbeiträge, der Unentgeltlichkeit staatlicher Schulen, der Ausbildungsförderung nach dem Bundesgesetz über individuelle Förderung der Ausbildung, den Zuschüssen an Studierende, den Betreuungskostenzuschüssen und dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, dem erhöhten Arbeitslosengeld I und Kurzarbeitergeld für Arbeitnehmer mit Kindern, den auf Familien und Alleinerziehende bezogenen Regelungen für die Gewährung von Wohngeld und Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II, dem Kinderzuschlag oder dem Unterhaltsvorschuss ein umfangreiches System vielfältiger staatlicher Familienleistungen existiere. Hinzu kämen die zahlreichen familien- und kinderbezogenen steuerlichen Vorteile.

a) Nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Variante 2 GG hat ein Gericht das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn es ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält. Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG muss das vorlegende Gericht darlegen, inwiefern seine Entscheidung von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift abhängt und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm die Vorschrift unvereinbar ist. Die Begründung muss daher mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lassen, dass und weshalb das vorlegende Gericht im Falle der Gültigkeit der für verfassungswidrig gehaltenen Rechtsvorschrift zu einem anderen Ergebnis käme als im Falle ihrer Ungültigkeit (vgl. BVerfGE 153, 310 <333 Rn. 55> m.w.N.; 153, 358 <375 f. Rn. 37>; stRspr). Das vorlegende Gericht muss dabei den Sachverhalt darstellen, sich mit der einfachrechtlichen Rechtslage auseinandersetzen, seine insoweit einschlägige Rechtsprechung darlegen und die in der Literatur und Rechtsprechung entwickelten Rechtsauffassungen berücksichtigen, die für die Auslegung der vorgelegten Rechtsvorschrift von Bedeutung sind (vgl. BVerfGE 136, 127 <142 Rn. 45; 145 ff. Rn. 53 ff.>; 138, 1 <13 f. Rn. 37>). Für die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage ist grundsätzlich die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts maßgebend, sofern diese nicht offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 138, 1 <15 Rn. 41> m.w.N.).

c) Soweit die Beschwerdeführerin und der Beschwerdeführer in vielfältiger Weise einen Verstoß des Bundessozialgerichts gegen ihr Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG rügen, genügen ihre Ausführungen ebenfalls nicht den nach § 92, § 23 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz BVerfGG zu stellenden Anforderungen. Insbesondere setzen sie sich im Hinblick auf die Ausführungen zur gesetzlichen Rentenversicherung und gesetzlichen Krankenversicherung nicht – wie es unter dem Gesichtspunkt der Entscheidungserheblichkeit der gerügten Gehörsverstöße erforderlich wäre – mit den nach der Begründungsstruktur des angefochtenen Urteils naheliegenden Fragen auseinander. Dazu gehört, ob es sich bei den dem „weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext“ zugeordneten Erwägungen um selbstständig tragende handelt und jede einzelne von ihnen auf einer gehörswidrigen – und nicht lediglich auf einer nach Auffassung der Beschwerdeführerin und des Beschwerdeführers sachlich unzutreffenden – Rechtsanwendung beruht (vgl. dazu BVerfGE 64, 1 <12>). Insbesondere hat das Bundessozialgericht entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht das Bestehen „positiver externer Effekte“ der Kindererziehung für die gesetzliche Rentenversicherung und die gesetzliche Krankenversicherung, sondern die rechtliche Notwendigkeit deren beitragsrechtlichen Ausgleichs in Abrede gestellt. Der gegen die Beachtlichkeit des in den schriftlichen Urteilsgründen entfalteten „weiteren gleichheitsrechtlichen Kontextes“ gerichtete Einwand, maßgeblich seien allein die mündlichen Urteilsgründe, zeigt nicht auf, dass die dem entgegenstehende fachgerichtliche Auffassung (vgl. auch BSG, Beschluss vom 10. April 1961 - 10 RV 715/58 -, NJW 1961, S. 1183; BGHSt 15, 263 <264>; BFH, Beschluss vom 13. Dezember 1996 - III B 56/95 -, juris, Rn. 9) verfassungswidrig sein könnte.

Eine Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG kann sich auch aus den praktischen Auswirkungen einer formalen Gleichbehandlung ergeben; entscheidend sind der sachliche Gehalt der Vorschrift und die auf die rechtliche Gestaltung der Norm zurückgehenden Wirkungen (vgl. BVerfGE 24, 300 <358>; 49, 148 <165>; 149, 50 <78 f. Rn. 80>). Bei formal gleichbehandelnden Vorschriften ist der allgemeine Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Differenzierungsverbot einschlägig, wenn durch sie eine Belastungsungleichheit normativ veranlasst wird (vgl. BVerfGE 149, 50 <78 f. Rn. 80>). Demgegenüber ist Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Differenzierungsgebot in Ansatz zu bringen, wenn die Belastungsungleichheit auf tatsächlichen Ungleichheiten des zu ordnenden Lebenssachverhalts beruht (vgl. BVerfGE 149, 50 <79 Rn. 80>). Als Differenzierungsgebot ist der allgemeine Gleichheitssatz nicht schon dann verletzt, wenn der Gesetzgeber Differenzierungen, die er vornehmen darf, nicht vornimmt (vgl. BVerfGE 90, 226 <239>; 110, 141 <167>). Er verletzt aber das Gleichheitsgrundrecht, wenn er es versäumt, tatsächliche Ungleichheiten des zu ordnenden Lebenssachverhalts zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie beachtet werden müssen (vgl. BVerfGE 110, 141 <167>).

Zutreffend ist allerdings, dass in Paarfamilien mit drei und mehr Kindern ein überdurchschnittliches Armutsrisiko gegenüber Paarfamilien mit weniger Kindern besteht. Hierfür ist neben der Familiengröße – weil mehr Personen mit dem Einkommen auskommen müssen – insbesondere bedeutsam, dass die Erwerbsquote von Müttern mit drei und mehr Kindern trotz der in den letzten Jahren erreichten Ausweitung ihrer Erwerbstätigkeit nach wie vor unter derjenigen von Müttern mit einem oder zwei Kindern liegt und solchen Familien deshalb nur ein geringeres Familieneinkommen zur Verfügung steht. In Alleinerziehendenhaushalten liegt das Armutsrisiko bereits für Einzelkinder signifikant höher als im Durchschnitt aller unter 18-Jährigen, steigt aber bei zwei oder mehr Kindern weiter an (zum Ganzen: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Familienreport 2020, S. 103 ff.; 6. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, 2021, S. 489 ff.; Bertelsmann Stiftung, Factsheet Kinderarmut in Deutschland, 2020, S. 4 f.; dies. <Hrsg.>, Garbuszus/Ott/Pehle/Werding, Wie hat sich die Einkommenssituation von Familien entwickelt? Ein neues Messkonzept, 2018, S. 11 ff.).

Die im Einkommensteuerrecht zu beachtenden Grundsätze über die Steuerfreiheit des Existenzminimums für sämtliche Familienmitglieder (vgl. BVerfGE 82, 60 <85 f., 94>; 152, 274 <315 Rn. 105>) sind auf die Erhebung des zweckgebundenen und gegenleistungsbezogenen Beitragsaufkommens in der sozialen Pflegeversicherung nicht übertragbar (vgl. für die gesetzliche Krankenversicherung bereits BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 15. April 1986 - 1 BvR 1304/85 -, SozR 2200 § 385 RVO Nr. 15). Die Steuer ist dadurch gekennzeichnet, dass sie ohne individuelle Gegenleistung und unabhängig von einem bestimmten Zweck zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs eines öffentlichen Gemeinwesens erhoben wird (vgl. BVerfGE 149, 222 <249 Rn. 53> m.w.N.). Weder der Zweck der Besteuerung, den staatlichen Haushalt mit Finanzmitteln auszustatten, noch die Verwendung des Steueraufkommens geben der Steuerbelastung Anknüpfungspunkte oder ziehen ihr Grenzen. Mangels konkreter Zweckbindung und individueller Gegenleistung gewinnt der in der Steuer liegende Eingriff in die Vermögens- und Rechtssphäre des Steuerpflichtigen seine Rechtfertigung auch und gerade aus der Gleichheit der Lastenzuteilung (vgl. BVerfGE 84, 239 <268 f.>). Demgegenüber erfolgt die Beitragserhebung in der sozialen Pflegeversicherung zweckgebunden; zur Befriedigung des allgemeinen Finanzbedarfs des Staats und seiner sonstigen Glieder steht das Beitragsaufkommen nicht zur Verfügung (vgl. BVerfGE 75, 108 <148>; 113, 167 <203>; 149, 50 <77 f. Rn. 78>; stRspr). Dies hat nicht nur Bedeutung für die Beitragserhebung dem Grunde nach, sondern begrenzt gleichzeitig ihre Bemessung (vgl. BVerfGE 149, 50 <77 f. Rn. 78>). Zudem steht den Sozialversicherungsbeiträgen als Gegenleistung der individuelle Versicherungsschutz gegenüber (vgl. BVerfGE 79, 223 <236>; 113, 167 <221>). Der Gegenleistungsbezug schützt die Einzelnen in einem auf Zwangsmitgliedschaft und Beitragspflicht beruhenden Versicherungssystem, bei dem die Einzelnen typischerweise keinen unmittelbaren Einfluss auf die Höhe ihres Beitrags und auf Art und Ausmaß der aus ihrem Versicherungsverhältnis geschuldeten Leistung haben, davor, dass Beitrag und Leistung außer Verhältnis stehen (vgl. BVerfGE 140, 229 <237 Rn. 20>). Angesichts der Zweckbindung und des Gegenleistungsbezugs der Sozialversicherungsbeiträge darf der Gesetzgeber zur Beitragsbemessung in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise auf das Bruttoeinkommen und die hierin verkörperte (typisierte) wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (vgl. dazu BVerfGE 103, 172 <185>; 115, 25 <43>) abstellen und bei Geringverdienern die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums den grundsicherungsrechtlichen Leistungssystemen mit seinen Aufstockungsregelungen zuweisen.

Das unterschiedliche Armutsrisiko von Eltern in Abhängigkeit von der Kinderzahl betrifft deshalb nicht in spezifischer Weise die soziale Pflegeversicherung oder einen anderen Zweig der Sozialversicherung, sondern den Familienlastenausgleich im Allgemeinen. Konkrete Folgerungen für die soziale Pflegeversicherung und deren Beitragsrecht, wie sie Gegenstand des Vorlageverfahrens und der Verfassungsbeschwerdeverfahren sind, lassen sich daraus nicht ableiten. Der Gesetzgeber ist vielmehr in seiner Entscheidung, auf welche Weise er Benachteiligungen von Familien beseitigen und diese fördern will, grundsätzlich frei (vgl. bereits zur gesetzlichen Rentenversicherung BVerfGE 87, 1 <39>; sowie allgemein BVerfGE 82, 60 <81>; 103, 242 <259 f.>; 107, 205 <213>; 110, 412 <436, 445>; 112, 50 <65 f.>; 112, 164 <175>; 127, 263 <277 f.>).

(2) Das Ausmaß erziehungsbedingter Opportunitätskosten wird durch die – ihrerseits kinderzahlabhängige – Erwerbstätigen- und Teilzeitquote der Eltern geprägt. Die aus erziehungsbedingter Erwerbslosigkeit oder Minderung des Erwerbsumfangs resultierende Einbuße an Erwerbseinkommen wird in der Lebenswirklichkeit typischerweise von Frauen getragen, zieht aber regelmäßig zugleich familieninterne Lastenverschiebungen nach sich. Nach Feststellungen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, auf die sich auch die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme bezieht, konnten die Erwerbstätigenquote und der Erwerbsumfang von Müttern seit 2007 zwar stetig gesteigert werden. Allerdings wirken neben der Ausbildung der Mütter nach wie vor Alter und Anzahl der Kinder auf die Teilnahme am Erwerbsleben ein. Mit der Geburt von Kindern geben viele Frauen ihre Erwerbstätigkeit zumindest vorübergehend auf. Der Wiedereinstieg in das Berufsleben erfolgt mehrheitlich in Teilzeit. Je jünger das jüngste Kind im Haushalt ist und je mehr (junge) Kinder im Haushalt leben, desto geringer ist die Beteiligung von Müttern am Erwerbsleben und desto länger dauert die Phase verringerter Beteiligung am Erwerbsleben an (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Familienreport 2020, S. 109 ff.). Ausweislich einer weiteren von der Bundesregierung in Bezug genommenen Studie (Bertelsmann Stiftung <Hrsg.>, Barišić/Consiglio, Beschäftigung im Wandel 06.2020, Frauen auf dem deutschen Arbeitsmarkt – Was es sie kostet, Mutter zu sein, S. 1, 7 f. und 10 mit Abbildung 6, bezogen auf Mütter des Jahrgangs 1982) ergibt sich, ausgehend von kinderlosen Frauen als Bezugspunkt, eine Einbuße an Lebenserwerbseinkommen bei Müttern mit einem Kind von rund 40 %, bei Müttern mit zwei Kindern von ca. 50 % und bei Müttern mit drei und mehr Kindern von fast 70 %.

Der Gesetzgeber kann sich auch zu einer Steuerfinanzierung entschließen. Die Verfassung enthält keine Bestimmung, wonach es geboten oder verboten wäre, die gesetzliche Sozialversicherung teilweise aus Steuermitteln zu finanzieren (vgl. BVerfGE 113, 167 <219>). Das in diesem Zusammenhang angeführte Argument, steuerfinanzierte Begünstigungen würden durch die Familien selbst mitfinanziert und seien deshalb für einen Ausgleich ungeeignet (vgl. Kingreen, in: Schriftenreihe des Deutschen Sozialrechtsverbandes 57 <2008>, S. 71 <90>; Lenze, NZS 2007, S. 407 <409>; dies., SGb 2017, S. 130 <133>), greift nicht durch. Das Steueraufkommen fließt in den allgemeinen Haushalt und ist grundsätzlich nicht zweckgebunden. Eine Zuordnung einzelner haushaltsrechtlicher Verwendungsentscheidungen zur Steuererhebung bei bestimmten Steuerzahlerinnen und -zahlern ist ausgeschlossen (vgl. BVerfGK 14, 287 <294>; 18, 477 <478>).

cc) Zuletzt fördert die Ausgestaltung des Beitragszuschlags für Kinderlose auch die Zwecke der Verwaltungsvereinfachung und Praktikabilität. Zwar entsteht bereits nach geltendem Recht nicht unerheblicher Verwaltungsaufwand, weil der Versicherte nach § 55 Abs. 3 Satz 3 SGB XI die Elterneigenschaft in geeigneter Form nachzuweisen hat, sofern diese nicht bereits aus anderen Gründen bekannt ist. Als Nachweis können alle Urkunden berücksichtigt werden, die geeignet sind, die Elterneigenschaft des Mitglieds zuverlässig zu belegen, zum Beispiel Geburtsurkunde, Abstammungsurkunde, beglaubigte Abschrift aus dem Geburtenbuch des Standesamtes, Auszug aus dem Familienbuch, steuerliche Lebensbescheinigung des Einwohnermeldeamtes (vgl. BTDrucks 15/3671, S. 6). Ein alternatives, an die Kinderzahl anknüpfendes Privilegierungsmodell hätte aber weitergehenden Aufwand sowohl bei den Arbeitgebern als auch bei den Einzugsstellen und Pflegekassen nach sich gezogen, weil gegenüber der jetzigen Rechtslage das Hinzutreten weiterer Kinder nachzupflegen wäre. Das gewählte Privilegierungsmodell löst zumindest solchen weitergehenden Verwaltungsaufwand nicht aus, so dass ihm auch insoweit die Eignung nicht abzusprechen ist.

aa) Eine Ungleichbehandlung ist nur dann erforderlich, wenn kein anderes Mittel zur Verfügung steht, mit dem der Gesetzgeber unter Bewirkung geringerer Ungleichheiten das angestrebte Regelungsziel gleich wirksam erreichen oder fördern kann (vgl. BVerfGE 138, 136 <190 Rn. 142>; 151, 101 <141 Rn. 103>), ohne dabei Dritte oder die Allgemeinheit stärker zu belasten (vgl. BVerfGE 148, 40 <57 Rn. 47> m.w.N.; 151, 101 <141 Rn. 103>). Auch bei der Einschätzung der Erforderlichkeit verfügt der Gesetzgeber über einen Beurteilungs- und Prognosespielraum (vgl. BVerfGE 155, 238 <280 Rn. 105> m.w.N.; stRspr). Das Bundesverfassungsgericht prüft nicht, ob der Gesetzgeber die beste Lösung für die hinter einem Gesetz stehenden Probleme gefunden hat (vgl. BVerfGE 149, 86 <120 Rn. 94>). Maßnahmen, die der Gesetzgeber zur Erreichung des Gesetzeszwecks für erforderlich hält, können daher verfassungsrechtlich nur beanstandet werden, wenn nach den dem Gesetzgeber bekannten Tatsachen und im Hinblick auf die bisher gemachten Erfahrungen feststellbar ist, dass die in Betracht kommenden alternativen Mittel zwar die gleiche Wirksamkeit versprechen, aber zu geringerer Ungleichheit führen (vgl. zu Eingriffskonstellationen BVerfGE 126, 112 <145>). Die sachliche Gleichwertigkeit der alternativen Maßnahme zur Zweckerreichung muss dabei in jeder Hinsicht eindeutig feststehen (vgl. dazu BVerfGE 81, 70 <91> m.w.N.; zum Ganzen: BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 8. Juli 2021 - 1 BvR 2237/14 u.a. -, Rn. 142).

Eine zulässige Typisierung setzt voraus, dass der Gesetzgeber keinen atypischen Fall als Leitbild wählt, sondern realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zugrunde legt (vgl. BVerfGE 145, 106 <146 Rn. 107>; 148, 147 <202 Rn. 136>; stRspr). Die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten dürfen also nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen (vgl. BVerfGE 84, 348 <360>; 145, 106 <146 f. Rn. 108>; 151, 101 <146 Rn. 116>; stRspr). Darüber hinaus darf das Ausmaß der Ungleichbehandlung nicht sehr intensiv sein (vgl. BVerfGE 84, 348 <360>; 145, 106 <146 f. Rn. 108>; 151, 101 <146 Rn. 117>; stRspr). Wesentlich ist ferner, ob die Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären; hierfür sind auch praktische Erfordernisse der Verwaltung von Gewicht (vgl. BVerfGE 84, 348 <359 f.>; 145, 106 <146 f. Rn. 107 f.>; 148, 147 <202 Rn. 136>; 151, 101 <146 Rn. 118>; stRspr). Geht es – wie hier – um die Bewältigung einer mehrpoligen Interessenlage, sind die für die typisierende Regelung sprechenden Gesichtspunkte zugleich zu den Nachteilen und Belastungen ins Verhältnis zu setzen, die durch eine stärker differenzierende Regelung für Dritte oder die Allgemeinheit entstünden (dazu oben Rn. 311 f.).

(2) Die von der Typisierung nachteilig betroffenen beitragspflichtigen Versicherten mit zwei und mehr Kindern machen keine nur verhältnismäßig kleine Zahl von Personen aus. Zwar liegen, da die Kinderzahl für die Beitragsbemessung nach geltendem Recht nicht relevant ist, keine exakten Daten zu den Anteilen der Versicherten in der sozialen Pflegeversicherung mit mehreren (unterhaltsberechtigten) Kindern vor. Hinreichend valide Daten lassen sich aber aus den Ergebnissen des Mikrozensus 2019 ableiten. Bezogen auf Familien mit minderjährigen Kindern betrug danach der Anteil von Familien mit einem Kind 50,7 %, von Familien mit zwei Kindern 37,4 %, von Familien mit drei Kindern 9,2 %, von Familien mit vier Kindern 2,1 % und von Familien mit fünf und mehr Kindern 0,6 % (Statistisches Bundesamt <Destatis>, Fachserie 1, Reihe 3, 2019, Tabellen 1.1, S. 35 f. und Tabelle 5.2, S. 125 ff.). Es ist anzunehmen, dass sich diese Verteilung unter den Versicherten der sozialen Pflegeversicherung, die im Jahr 2019 fast 87 % der Gesamtbevölkerung ausmachten, nicht grundlegend anders darstellt. Hiervon ausgehend ist der Anteil der Familien mit einem Kind ungefähr gleich groß wie der Anteil der Familien mit zwei oder mehr Kindern. Der Anteil derjenigen, die aufgrund ihrer Kinderzahl einen höheren wirtschaftlichen Erziehungsaufwand haben, ist deswegen nicht verhältnismäßig geringfügig, sondern signifikant.

Nach § 70 Abs. 3a SGB VI wird für Kalendermonate mit Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (dazu oben Rn. 38) und Pflichtbeitragszeiten, also dem Bestehen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung, ein Zuschlag gewährt, wenn mindestens 25 Jahre mit rentenrechtlichen Zeiten vorhanden sind. Der Zuschlag beträgt 50 % der für die Pflichtbeitragszeit ermittelten Entgeltpunkte, höchstens aber ein Drittel Entgeltpunkt pro Jahr (§ 70 Abs. 3a Satz 2 Buchstabe a SGB VI). Der Zuschlag an Entgeltpunkten darf zusammen mit den für Beitragszeiten und Kindererziehungszeiten ermittelten Entgeltpunkten den Wert von (annähernd) einem Entgeltpunkt nicht überschreiten (§ 70 Abs. 3a Satz 3 SGB VI). Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung werden mithin durch Kindererziehungszeiten faktisch verdrängt, denn durch die Kindererziehungszeiten wird in den ersten drei Lebensjahren eines Kindes bereits (annähernd) ein Entgeltpunkt pro Jahr gutgeschrieben. Die Höherbewertungsfunktion der Kinderberücksichtigungszeiten kommt deshalb nur in der Zeit vom dritten bis zum zehnten Lebensjahr eines Kindes zum Tragen. Wer zeitgleich Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für zwei Kinder vorweisen kann, erhält den Zuschlag auch bei nicht beitragsbelegten Zeiten, also auch ohne versicherungspflichtige Beschäftigung (§ 70 Abs. 3a Satz 2 Buchstabe b SGB VI). Die Maximalförderung kann danach in Anspruch nehmen, wer in dieser Zeit über Entgeltpunkte aus Pflichtbeitragszeiten entsprechend zwei Drittel des Durchschnittsentgelts verfügt. Bleiben Versicherte darunter, fällt der 50 %-Zuschlag entsprechend geringer aus, bleiben sie darüber, wird ein Teil des Zuschlags gekappt, wenn die Summe die Grenze der Durchschnittsentgeltpunkte (auf ein Jahr bezogen einen Entgeltpunkt) erreicht (vgl. zum Ganzen Roller, NZS 2001, S. 408).

Die gesetzliche Krankenversicherung dient der Absicherung der als sozial schutzbedürftig angesehenen Versicherten vor den finanziellen Risiken einer Erkrankung. Dabei findet ein umfassender sozialer Ausgleich zwischen Gesunden und Kranken, Jungen und Alten, Versicherten mit niedrigem Einkommen und solchen mit höherem Einkommen sowie auch zwischen Kinderlosen und beitragspflichtigen Eltern statt (vgl. BVerfGE 113, 167 <220>). Selbst wenn die von Versicherten mit unterhaltspflichtigen Kindern geleisteten Beitragszahlungen den Wert der von ihnen und ihren familienversicherten Angehörigen während der aktiven Familienphase in Anspruch genommenen Versicherungsleistungen im Durchschnitt überstiegen, stellt dies den Vorteil, der ihnen durch den beitragsfreien Erwerb des Rechts auf Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen durch Familienangehörige erwächst, nicht in Frage. Die Beitragszahlung zielt nicht auf die Versicherungsleistung im Krankheitsfall, sondern den Versicherungsschutz, der im Falle der gesetzlichen Krankenversicherung nicht bloß ein typisches Altersrisiko, sondern ein alle Altersgruppen treffendes Lebensrisiko abdeckt. Soweit beitragspflichtige Eltern als „Nettozahler“ mehr in das Umlagesystem der gesetzlichen Krankenversicherung einzahlen, als sie und ihre mitversicherten Angehörigen an Versicherungsleistungen in Anspruch nehmen, befinden sie sich in keiner anderen Lage als kinderlose erwerbstätige Beitragszahlerinnen und Beitragszahler, bei denen die Differenz zwischen eigenen Beitragszahlungen und in Anspruch genommenen Leistungen vielfach noch größer ausfällt (vgl. Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die „beitragsfreie Mitversicherung“ auf dem Prüfstand, 2013, S. 12) und die mit ihren Beiträgen solidarisch die beitragsfreie Mitversicherung dadurch mitfinanzieren, dass – würden Kinderlose von einem entsprechenden Beitragsanteil freigestellt – beitragspflichtige Eltern höhere Beiträge zu entrichten hätten.