„Sehr geehrter Herr Stelter, gerne lese/sehe ich Sie. Allerdings nicht als Impulsgeber, da unser/e Denken und Erfahrungen zu ähnlich sind und ich eher frisches Brainfood und Widersprüchliches lese als das, was ich in unserem Alter für historisch gesichertes Wissen halte. Gerade stöbere ich auf Ihren Seiten und stoße auf die 2015 zuletzt bediente Frage “Was tun mit unserem Geld”. Hier finde ich zumindest für mich noch Fragen, die mich auch seit 2012 beschäftigen – genauer: seitdem Frau Merkel Herrn Schäubles Grexit-Plan verhindert hat. Diese lauten: Was passiert eigentlich mit dem Vermögen deutscher Sparer/Anleger beim absehbaren €-Crash? Ich gehöre nicht zu den aktuell aufgewachten Crash-Propheten, halte diesen aus volkswirtschaftlichen Gründen aber für – irgendwann – unausweichlich. Ich erwarte natürlich keine Antwort. Vor meinem geistigen Auge imaginiere ich hier lediglich einen Dialog zwischen Herrn Sinn, Axel Weber, Thomas Mayer und Ihnen und versuche, mir die Gesprächsbestandteile vorzustellen. Herzlichen Gruß und alles Gute”
Spannende Fragen. Ich würde sie so strukturieren: 1. Kann es einen „Euro-Crash“ geben? 2. Welche Auswirkungen hätte ein Euro-Crash auf Wirtschaft und Finanzmärkte? 3. Auf welche Szenarien muss man sich einstellen? 4. Was bedeutet das für die Geldanlage? Lassen Sie mich die Fragen der Reihe nach besprechen: 1. Kann es einen „Euro-Crash“ geben?
Ich denke, die kurze Antwort lautet ja. Wir wissen, dass die grundlegenden Probleme des Euro nicht gelöst wurden. Im Gegenteil haben sich die Mitgliedsländer der Eurozone immer weiter auseinanderentwickelt, statt sich anzunähern. Obwohl der Leser das Szenario für „gesichertes Wissen“ hält, lohnt sich ein zusammenfassender Blick, den ich schon früher an dieser Stelle gebracht habe. Wir haben es mit einer Schuldenkrise zu tun, ausgelöst durch den Euro, der die Realzinsen viel zu tief gehalten und damit die Party erst ermöglicht hat: Die (unvermeidliche) Krise konnte nur mit billigem Geld unterdrückt werden. Das hat zwar funktioniert, aber nur vordergründig. In Wirklichkeit wird die Wirtschaft dadurch nicht gesund. Zombies! Obwohl: Vielleicht geht es ja mehr darum, Italien und die anderen bankrotten Staaten zu „retten“? Fakt ist: Die Eurozone hat sich erholt, aber in einigen Ländern sieht es sehr schlecht aus. Aber die Wirtschaft hat sich immer ungleicher entwickelt. Beispiel 1: Der deutsche „Finanzzyklus“ ist völlig anders (und weniger ausgeprägt) als in den anderen Ländern. Bei uns gibt es weniger Schulden des Privatsektors und deshalb nicht diese Volatilität: Wachstum und Produktivitätsfortschritte haben sich nicht angenähert. Im Gegenteil, die Eurozone ist noch heterogener als zuvor. Es gab nur in den Boomjahren die Illusion einer besseren Synchronisation – eine schuldenfinanzierte Illusion! Zugleich nimmt der Handel innerhalb der Eurozone relativ ab statt zu. Gerade Deutschland lebt viel mehr von anderen Ländern! Derweil wachsen die Schulden immer weiter an: Und die Banken bleiben insolvent (wobei ernstzunehmende Stimmen Fortschritte sehen): Jetzt soll mehr Umverteilung helfen, vor allem die Möglichkeit, die gute deutsche Bilanz – wenn man mal die verdeckten Verbindlichkeiten vergisst! – als Beleihungsbasis zu mobilisieren! Problem Nr. 1: Selbst, wenn wir wollten, wir können gar nicht. Siehe unsere demografische Entwicklung! Problem Nr. 2: Selbst, wenn wir könnten, es würde nichts bringen! Sagt der IWF! Problem Nr. 3: Selbst, wenn es etwas bringen würde, wäre es fair? Ich denke nicht: Was die Französin Christine Lagarde (damals noch beim IWF) nicht davon abhält, trotz der Studien des IWF mehr Umverteilung zu fordern. Da wissen wir wenigstens, was sie in Zukunft bei der EZB betreibt. Dabei hat ihr Landsmann und früherer Chefökonom Olivier Blanchard schon 2015 gewarnt, dass eine Fiskalunion den „dysfunktionalen“ Euro nicht retten könnte: → Fiscal Union will never fix a dysfunctional Eurozone warns Ex-IMF Chief Und all das für eine Währungsunion, die schlechter funktioniert als eine hypothetische Währungsunion aller Länder der Welt, die mit dem Buchstaben „M“ beginnen! Aber: Was kümmert es die Politik? Die Darstellungen sind nicht mehr auf dem neuesten Stand. Studien des IWF zeigen aber, dass es sich nicht grundlegend verbessert hat, nachzulesen hier: → Der IWF zeigt, dass der Euro nicht funktionieren kann – Nehmt es doch bitte zur Kenntnis! Damit ist unstrittig: Der Euro wurde nicht zuletzt durch die Politik der EZB stabilisiert, aber nicht saniert. Allen Beteuerungen der Politik zum Trotz. Wie groß die Risiken sind, zeigt auch ein Blick in die Geschichte. Die lateinische Münzunion hatte letztlich ähnliche Geburtsfehler. → Die lateinische Münzunion – Ein Präzedenzfall für den Euro Dort heißt es im Fazit: „Sowohl damals wie auch heute ist ein wesentlicher Grund für das Weiterbestehen der Münz- bzw. Währungsunion die Scheu vor den Kosten der Auflösung. Damals sorgte man sich um die Monetisierung der Silberreserven und den Aufbau von Handelshemmnissen in Europa. Heute sind ebenfalls die hohen Kosten, etwa durch den Ausgleich der Target-Salden aber auch die Wettbewerbsnachteile durch Handelshemmnisse in Europa zu nennen. Sehr viel mehr als damals spielen auch die politischen Kosten eine gewichtige Rolle. Die politische Einheit Europas ist heute sehr viel fortgeschrittener als damals. Mit dem Scheitern des Euros stünde auch die Existenz der Europäischen Union auf dem Spiel.“ – bto: Das aber bedeutet, dass man den Euro sanieren muss, wenn man die EU retten will. Doch genau das findet nicht statt! Übersetzt: Es wird scheitern mit verheerenden Folgen. 2. Welche Auswirkungen hätte ein Euro-Crash auf Wirtschaft und Finanzmärkte?
Bevor ich zu meinem zusammenfassenden Szenario komme, ein Blick auf eine schon früher bei bto besprochene Studie der Deutschen Bank zu dem Thema: → Was passiert, wenn der Euro platzt?
Erstaunlich geringe Abweichungen vom fairen Wechselkurs
Zunächst analysiert die Bank die Abweichungen vom „fairen Kurs“ für die einzelnen Länder. Das Ergebnis erstaunt: „Contrary to popular belief we find that these are quite small.”
Dabei geht die Bank so vor:
Dann zeigt die Bank auch noch die Entwicklung über die Zeit. Interessanterweise waren Italien und Frankreich nie überbewertet und profitieren sogar von einem global gesehen schwachen Euro. Spanien, Griechenland und Portugal hatten eine erhebliche Überbewertung, die sich außer in Portugal abgebaut hat:
Abb. 2: PPP im Zeitablauf
Abb. 3: Leistungsbilanzen und theoretische Wechselkurse
Nach den Analysen ist der Franc, wenn überhaupt unterbewertet, weshalb sich kein Abwertungsgewinn ergeben dürfte. Diese wäre nur Folge der dann geänderten Wirtschaftspolitik, die auf notenbankfinanzierte staatliche Ausgabenprogramme setzt.
Aufwertung, statt Abwertungen zu erwarten (Modell)
Allgemein wird davon ausgegangen, dass es zu einer Abwertung der neu eingeführten Währungen der ehemaligen Eurokrisenländer inklusive Frankreichs kommt. Nimmt man das Modell der Deutschen Bank, so ist dem nicht so. Im Falle einer friktions- und kostenlosen Auflösung (o. k., unwahrscheinlich) würden sich die Währungen gemäß dem oben genannten Modell entwickeln und gegenüber der Welt eher aufwerten. In Summe ist also ein geteilter Euro mehr wert als ein einheitlicher:
Abb. 4: Veränderung der nationalen Währungen gegenüber dem US-Dollar. (Ich denke, die Bank hat hier im Titel Under- und Overvaluation verwechselt. Der Dollar ist sicherlich überbewertet):
In der Praxis 30 Prozent Sturz des Euro
Die Bank erweitert dann die Modellannahmen:
Losgehen dürfte der Anfang vom Ende mit der Einführung von Kapitalverkehrskontrollen, um ein weiteres Anschwellen der Target2-Forderungen/Verbindlichkeiten zu verhindern:
Abb. 5: Verglichen mit dem Modellwert nach Euro-Ende wären die Währungen alle überbewertet (müssten also deutlich fallen):
Kapitalflucht verstärkt die Abwertung
Abb. 6: Die Wirkung der Kapitalflucht
Doch damit nicht genug. Auch der Privatsektor aus der ehemaligen Eurozone dürfte sich an der Flucht beteiligen (wenn er nicht, was viel intelligenter wäre schon vorher Kapital in andere Währungsräume verlagert): „Our assumption of capital flight is extremely conservative because net private sector flows are assumed to remain unchanged. (…) First, in the event of break-up it is unlikely that core European markets can offer sufficient size and liquidity to accommodate safe- haven capital flight from the periphery. Second, the uncertainty around post- break-up arrangements and the cost that this may entail for Germany would reduce the attractiveness of German assets as a safe-haven. (…) Finally, there have been 2.5 trillion of capital inflows into Europe since 1999 a portion of which is likely to be attributed to a ‘euro’ premium related to the ECB policy credibility and a (partial) implicit German guarantee on all Eurozone assets. (…) A 500bn EUR reserve re-allocation would be the lower bound of potential capital flight in the run-up to breakup.” – bto: nichts wie raus aus Europa wäre die Zusammenfassung.
Monsterwelle an Notenbankgeld
Natürlich würden die Notenbanken der Welt in einem noch nie dagewesenen Maß auf diesen Schock reagieren. Vor allem die Fed dürfte eine Monsterwelle an US-Dollar Liquidität über die Weltmärkte rollen lassen. Dies erwartet auch die Deutsche Bank: „For the Eurozone, this would imply ten-year bund yields going to -10bps, the QE peak of last September. The Fed could push ten-year Treasury yields back to 1.5%, close to the lows of both last year and 2012. In that scenario, the beta of roughly 10cents per 100bps implies EUR/USD rising 5-7%. This lift in EUR/USD would also be consistent with the German schatz yield going to -1.5% and two-year Treasury yields falling to zero. An even bigger Fed reaction pushing 10yr UST yields down to 1% would provide a positive offset to EUR/USD that is closer to 10%.” – bto: Ich denke, diese Annahmen sind noch zu vorsichtig. In Wahrheit stehen wir dann vor der Kernschmelze. Ohnehin muss man bedenken, dass die Zinsen seit dem Zeitpunkt der Studie noch weiter gesunken sind und wir also von tiefem Niveau eine weitere Verschlechterung sehen werden.
Ein klares – trübes – Bild
Die Zusammenfassung der Bank ist dann auch nicht verwunderlich:
Fazit der Bank: “If the market were to price this scenario (…), EUR/USD could fall by about 25%. Our results suggest that no Eurozone currency would benefit from being on its own—and we would specifically caution against the notion that the Deutschmark would appreciate outside the Eurozone.” – bto: wieso sollte sie auch angesichts der dann realisierten (da sind sie ja schon) Billionenverluste? Das war nun eine Studie. Andere Studien kommen zu anderen aber letztlich ähnlichen Ergebnissen: → Noch eine Studie zum Ende des Euro Wir können also festhalten:
3. Auf welche Szenarien muss man sich einstellen?Es ist einfach zu sagen, es kann nicht funktionieren, deshalb wird es nicht funktionieren und es knallt. Problem dabei: So dürfte es nicht sein, wie die letzten zehn Jahren bewiesen haben. Der Wille der Politik, das Projekt um faktisch jeden Preis zu erhalten, ist zu groß. Außerdem genießt die Gemeinschaftswährung in praktisch allen Umfragen noch deutliches Vertrauen der Bürger. Selbst Salvini hat in Italien Abstand von der Idee des Uscitalia genommen, weil die Idee gerade bei den Sparern nicht populär ist. Zu gut erinnern die sich an die absehbare Enteignung durch hohe Inflation zu Lira-zeiten. Deshalb gehe ich davon aus, dass der Euro noch länger lebt, als wir uns das denken können. Mit jeder neuen Krise werden zwei Dinge passieren:
Letztere hat enormes Potenzial, dem Euro weitere Jahre zu kaufen. Die Vorarbeiten dafür sind gemacht, vor allem dank der geschickten Personalpolitik des französischen Präsidenten Macron. Er hat
Diese drei werden entscheidend in der nächsten Phase der Eurokrise sein. Unter dem Deckmantel der Klimarettung wird es zu direkter Finanzierung der Staaten durch die EZB kommen. Geschickt verpackt wird auch die deutsche Regierung zustimmen – so wie in den letzten zehn Jahren – weil so die Bürger weiter über die tatsächlichen Kosten des Projekts getäuscht werden. Das übrigens unabhängig davon, ob die Grünen (mit)regieren oder nicht. Frau Merkel hat schließlich auch Draghi grünes Licht gegeben zur faktischen Schuldensozialisierung über die EZB-Bilanz, um einen Offenbarungseid dem Volk gegenüber zu vermeiden. Deshalb folgende Szenarien:
Fazit: Das Risiko bleibt bestehen und es kann jederzeit akut werden. Allerdings denke ich nicht, über Nacht. Denn über Nacht käme es nur zu einer Neuordnung der Eurozone, wenn diese von der Politik in einer wirklich geheimen Aktion vorbereitet würde. Für mich undenkbar, nicht weil ich den Politikern es nicht zutraue es zu machen. Ich traue ihnen nicht zu, es zu können.
Wir wissen also, dass die Eurozone bei Erhalt vor einer Phase des relativen Niedergangs steht. Dies auch aufgrund schlechter Demografie, verfallendem Bildungswesen, Einwanderung in die Sozialsysteme, verpassen der Zukunftstechnologien, schlechter Produktivitätsentwicklung und falschen politischen Prioritäten, die nicht am Wohlstand der Bürger orientiert sind, sondern an politischen Wunschprojekten, die mehr oder weniger sinnvoll sind. Bespiel: Planwirtschaft, um klimaneutral zu werden, während andere Regionen sich über die Zuwanderung der Unternehmen und Arbeitsplätze freuen. Dies alleine macht die Eurozone (und die EU) als Region für Kapitalanlage unattraktiv. Hinzu kommt dann noch eine allgemein Richtung Sozialismus tendierende Politik mit höheren Steuern, mehr Umverteilung und Eingriffen in die Eigentumsfreiheit. Selbst bei uns, wie die politische Diskussion zeigt. Hinzu kommt das jeder Zeit gegebene Event-Risiko eines Eurozerfalls. Dieser käme zwangsläufig mit Kapitalverkehrsbeschränkungen (vom IWF bereits als legitim eingestuft) und Vermögensverlusten durch direkte Forderungsausfälle und – so man etwas retten kann – durch politische Eingriffe gegen jene, die Vermögen erhalten haben. Gerne als Lastenausgleich oder aber Sondersteuer auf Immobilien (Hauszinssteuer in den 1920er-Jahren.) Die Schlussfolgerungen sind damit klar und von mir immer wieder beschrieben, so unter anderem hier: → Anleger – Raus aus Europa → Was wäre wenn der Euro platzt?
Der Leser hat mir dann noch weitere Fragen geschickt, die letztlich nur Konkretisierungen der Grundaussagen erfordern:
Bleibt das Fazit: Man kann Vorsorge betreiben und das bietet sich an. Und zwar bevor die Krise wieder akut wird. Soweit STELTERS MAILBOX für heute. Schreiben Sie mir! |